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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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eine weitere Ausbreitung des im Norden etablierten Regimes nach dem Süden zu vereiteln.
    Die Mutter des Mädchens stammte aus einer chinesischen Händlerfamilie in Cholon. Das Kind wuchs im Saigon der Vorkriegszeit auf. Nach der Schule ließ sie ihre Eltern in dem Glauben, sie besuche ein College und wohne im Internat. Dabei servierte sie in einem Etablissement in der Tu Do, die unter den Franzosen noch Rue Catinat geheißen hatte und das gewesen war, was man die »sündige Meile« Saigons nannte.
    Sie servierte keine Getränke, sondern Liebe. Meist jedenfalls. Und vornehmlich für die nun in immer größerer Zahl in Saigon eintreffenden Amerikaner. Das war zu Beginn der siebziger Jahre. Der Krieg ging seinem Höhepunkt zu, und die Krieger aus Übersee suchten, wie überall, wo es nach Schießpulver und Leichen stinkt, ein bißchen Zuneigung, selbst wenn sie sie bezahlen mußten und sie nur für jeweils ein paar Stunden anhielt.
    Später wurde Miß Lee eine der Liebesdienerinnen der Madame Xuan, die einen berühmten Salon von der etwas feineren Sorte betrieb. Der gemeine GI verkehrte für gewöhnlich dort nicht. Und Miß Lee begann, neben ihrer eigentlichen Tätigkeit zu singen, denn sie hatte eine der Stimmen, die abends in einer Bar aufhorchen lassen.
    Ihre Mutter hatte sich inzwischen von ihr abgewendet, als ihr die Wahrheit wenig taktvoll hinterbracht wurde. Sie verließ Cholon um die Zeit, als ihre Tochter mit ihrer Stimme in der ganzen Stadt berühmt wurde. Man sprach von ihr. Und man bezeichnete sie in einschlägigen Kreisen als Künstlerin. Francis Lee bewohnte bald ein eigenes Appartement, das ihr, wie jemand in einem der Dokumente behauptete, ihr Vater eingerichtet hatte, den sie an ihren Geschäften beteiligte. In einem der großen Tanzpaläste in der Tu Do hatte sie ihre größten Erfolge etwa um die Zeit, als den Amerikanern dämmerte, daß der Krieg längst verloren war und es nur noch galt, einigermaßen ehrenhaft aus dem Schlamassel herauszukommen. Es wurde um Waffenstillstand verhandelt.
    Francis Lees Vater war inzwischen bei einem Überfall ums Leben gekommen, aber für ihn fand sich Ersatz. Es heißt, jeden Abend versammelte sich eine stattliche Anzahl ihrer Verehrer, auch Freier der Sonderklasse, die tagsüber mit ihr zusammen gewesen waren, um ihrem Gesang zu lauschen. Ein Japaner übernahm es schließlich, sie zu managen. Er soll ebenfalls einer ihrer Liebhaber gewesen sein. Und er besorgte vor dem Fall Saigons die Visa, mit denen sie beide sich komplikationslos in Honolulu niederlassen konnten, nach einem Zwischenaufenthalt in Guam. Der Japaner hieß Imai ...
    Kalapano hatte interessiert zugehört. Jetzt erkundigte er sich zweifelnd: »Und dieser Imai, glaubst du, erpreßte sie?«
    Â»Ich glaube nicht, daß es Imai war.«
    Â»Blair?« Er deutete auf die Papiere. »Warum hätte er das Zeug sonst so gut verwahren sollen?«
    Die Vermutung lag nahe. Wenn sie sich bewahrheitete, steckte ich in dem uralten Dilemma des Ermittlers, der erkennen muß, daß es sein eigener Auftraggeber ist, der Dreck am Stecken hat.
    Einige der Fäden waren ans Licht gekommen. Aber es waren bei genauem Hinsehen nur lose Enden. Sie paßten nicht zusammen. Fest stand lediglich, daß beide Musikproduzenten diese Sängerin inzwischen so gut kannten wie niemand in Honolulu sonst. Wie niemand wohl überhaupt, der ihre Lieder gern hörte.
    Â»Gehen wir«, schlug ich vor. Es war Zeit, Laureen noch einmal zu befragen, und vielleicht auch Detective Tamasaki. Zuerst Laureen.
    Ich sah am Kai eines dieser mit einer Plexiglashaube abgedeckten Telefone und rief sie von da aus an. Sie erschrak, als sie von meinem Mißgeschick erfuhr, und mir kam das Erschrecken über mein unfreiwilliges Bad echt vor.
    Ich beruhigte sie, man hätte mich gerade noch gerettet, eine Wahine hätte meine Kleidung bereits wieder gebügelt, und sonst sei mir nichts weiter passiert. Nur daß ich aus dem Hotel ausgezogen war, das sie so liebevoll für mich ausgesucht hatte. Sie verstand, daß ich mir einen verschwiegenen Aufenthaltsort gesucht hatte, obgleich ich ihr nicht verriet, wo ich war.
    Ich bestellte sie in den Surf Room, wo wir nach meiner Ankunft gesessen hatten, und als ich mich dann mit ihr gemeinsam über eines der Fischgerichte hermachte, die hier auf Platten in der Größe eines

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