Schwarze Blüte, sanfter Tod
festbeiÃt. Wir haben nicht genug Leute. Ich dürfte eigentlich jetzt gar nicht hier bei dir sitzen und Bier trinken, ich müÃte schon längst in Kowloon sein, da haben wir eine Erpressung mit Kindesraub.«
Ich überlegte noch einmal laut, daà es ganz förderlich wäre, wenn man wenigstens wüÃte, was dieser mutterländische Sohn aus erster Ehe in Macao eigentlich gesucht hatte. Und Bobby gab mir lakonisch die Auskunft: »Ach ja, da kann ich helfen. Emerson Choi hat sich, nachdem er in Hongkong war, von seiner Shanghaier Frau scheiden lassen und hier wieder geheiratet. In Macao lebt ein weiterer Sohn von ihm. Aus zweiter Ehe. Halbbruder von Choi Lam ...«
»Was du nicht sagst!«, begann ich. Aber da war Pipi, dieses bezaubernde Geschöpf, mit einem groÃen Tablett kleiner Häppchen bei uns angekommen, und ich sah, wie Bobbys Augen gröÃer wurden.
Am Morgen, als ich mich in meinem immer noch nicht ganz schrottreifen Toyota in Richtung Kowloon quälte, tat mir nachträglich noch der Fahrer des Polizeibootes leid, das meine Dschunke umkreisen muÃte, bis Bobby seinen Appetit gestillt hatte und ans Zurückfahren dachte.
Ich rief ihn über mein Handy an, als ich aus dem Tunnel heraus war. Ich muà ein ziemlich dummes Gesicht gemacht haben, als er mir eröffnete: »Fahr zu Choi und verabrede mit ihm was du willst. Aber es hat sich ergeben, daà die Polizei doch weiter an der Sache arbeiten wird, also beachte die Vorschriften ...«
»So, es hat sich ergeben«, brachte ich heraus, »und was ist es, das sich da ergeben hat?«
»Vermutlich Mord«, antwortete Bobby mir. »Um es amtlich auszudrücken, Zuführung einer uns unbekannten, tödlichen Substanz in den Verdauungstrakt. Du kannst im Auftrag Chois in der Sache ermitteln, aber wenn du Erkenntnisse gewinnst, muÃt du sie an uns weitergeben. Kennst die Spielregeln ...«
Ich kannte sie auswendig, fragte: »Was für eine Substanz kann das sein?«
»Keine Ahnung.«
»Aber â an Bord des Tragflächenbootes wurde nichts serviert!«
»Eben«, gab Bobby zurück. »Das haben wir auch schon herausgefunden. Und ich darf dir verraten, daà der Mann gestern abend noch ziemlich spät im Henryâs gegessen hat. Er hat im Mandarin Oriental gewohnt, dort gefrühstückt, und sich mit einem Taxi zur Anlegestelle fahren lassen.«
»Und vorher? Ich meine, hat er gespielt? Gewettet? Er muà doch irgendwas angefangen haben in diesem verschlafenen Nest!«
»Frag seinen Vater«, riet mir Bobby. »Er wartet auf dich. In der Firma. Du weiÃt ja, wo das ist ...«
Und er vergaà nicht, mir noch einzuschärfen, ich solle ihn nach der Unterredung unbedingt anrufen und ihm Einzelheiten mitteilen. Dazu war ich zwar nicht verpflichtet, aber ich war daran interessiert, mir die Verbindung mit der Polizei zu erhalten, deshalb sagte ich erst einmal zu.
Das erste, was ich von der Firma Emerson Choi sah, war das berühmte Zeichen, das den Drachen mit der Prinzessin zeigt. Aber das waren die Betriebsgebäude an der Jordan Road, wo ich damals als Polizist gewesen war, wegen des Einbruchs. Jetzt erfuhr ich hier, daà Mister Choi in seinem Privathaus anzutreffen sei. Das lag in einer sehr grünen Gegend von Yau Ma Tai, zwischen dem Kingâs Park und der Bahnlinie nach Norden. Stilecht, mit rotlackiertem Mondtor, das war mein erster Eindruck. Ein schöner Anblick, nach den vielen himmelhohen Wohntürmen mit ihren nicht voneinander zu unterscheidenden Fassaden, hinter denen in den letzten Jahren Zehntausende von Menschen untergebracht worden waren.
Daà Choi ein Traditionalist war, hatte ich damals schon gespürt, als ich mich mit der Aufklärung des Einbruchs befaÃte. Aber jetzt wurde mir klar, daà sich hier Reichtum mit einer besonderen Art von GeschichtsbewuÃtsein verband, das er demonstrativ lebte.
Ich bückte mich unwillkürlich und eigentlich unnötigerweise, als ich durch die runde Ãffnung in der Mauer, die das Anwesen umgab, in den Hof trat. Ein Goldfischteich, umgeben von niedrig gehaltenem Bambus, zwei Weiden mit bis auf den Beckenrand herabhängenden Zweigen, Keramiklöwen, eine bronzene Tempelglocke â alles das nicht etwa luxuriös, wie die Wohnstätten der Schnellreichen in der Kolonie oder auch drüben in Shenzhen, der »Sonderzone«, nein, das machte eher den Eindruck vom Domizil
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