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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Freundin Ausschau gehalten, aber die Hongkonger Sitte ...
    Â»Würden Sie bitte einen Augenblick warten«, bat ich Mrs. Choi Tse-min und schob ihr einen Stuhl hin. Sie setzte sich.
    Wanda, die Straßenprostituierte, der es immer noch schwer fiel, sich an die in Hongkong herrschenden Gepflogenheiten zu gewöhnen, hatte mich auf eine Idee gebracht. Sie war vor einiger Zeit aus Rußland hierhergekommen und konnte ihren erlernten Beruf als Lehrerin nicht mehr ausüben. Wollte das wohl auch nicht. Nach einigen Kämpfen um soziale Hilfe gab ihr jemand den Tip, anzuschaffen.
    Dafür war Wanda blendend geeignet. Sie hatte eine üppige Figur, kräftige Beine und ein von maisblondem Haar eingerahmtes Bauerngesicht, eine Kombination, die hier leicht Interessenten fand. Sie bekam schnell heraus, daß gerade die Hongkonger Gentlemen, und zwar die einheimischen, nicht die britischen, auf eine Frau von ihrer Beschaffenheit flogen.
    Als sie das begriffen hatte, schlug sie alle Warnungen in den Wind, die Hongkonger Sitte habe etwas gegen Straßenläuferinnen – sie wollte nicht in einen der Salons, auch nicht in eine Bar, sie wollte unabhängig sein. Die Folge davon waren wiederholte Aufenthalte in Hongkongs sicherstem Gästehaus, wodurch sie bei den Behörden bekannt wurde und sich den Ruf einer Unverbesserlichen erwarb, aber auch den einer im Grunde warmherzigen jungen Frau. Daran änderte sich nichts, auch wenn sie bei manchen Gelegenheiten, die ein ruhiges Wort vertragen hätten, zu keifen anfing. Und wenn Wanda keifte, erwies sich das als ein Ereignis.
    Â»Hallo, Süße!« sagte ich, gab ihr die Hand und kassierte einen schmachtenden Blick.
    Ich bedeutete Wu, meinem Büroteilhaber, ich hätte mit Wanda etwas sehr Privates zu bereden, und dann zog ich sie in die Sitzecke, wo schon Mrs. Choi auf ihrem Stuhl wartete.
    Zehn Minuten später, nachdem mir Mrs. Choi versichert hatte, sie habe nichts davon gemerkt, daß sie hierher verfolgt worden sei, hatten wir ein Szenarium ausgeheckt, das ich nur noch Lum erklären mußte, der vor der Tür wartete, weil er sich ungern den Belehrungen des Bewährungshelfers Wu aussetzte.
    Ich schickte ihn los, um ein paar Leute zu mobilisieren, für Lum eine Kleinigkeit. Vor allem wollte ich möglichst viele von den Marktweibern dabei haben, die an ihren Gemüse- und Obstständen auf Käufer warteten, rings um die Anlegestellen und überhaupt an jeder nur möglichen Ecke. Marktweiber können ganze Bataillone von Polizisten in Bedrängnis bringen, wer wußte das besser als ich! In meiner lange zurückliegenden Polizistenzeit hatte es genügend Beispiele dafür gegeben. Und hier ging es nicht einmal um Polizisten.
    Â»Du sagst ihnen, sie sollen Tomaten schmeißen«, schärfte ich Lum ein. »Die von gestern und vorgestern, die schon etwas angegangen sind, die eignen sich am besten. Notfalls bezahle ich nachher etwas dafür. Ramschpreis, klar?«
    Er war mit Feuereifer bei der Sache. Was jetzt kam, war für Lum ein Vergnügen besonderer Art. Und auch Wanda willigte, nachdem sie sich meinen Plan angehört hatte, gern ein, zumal ich ihr gleich einen Schein zusteckte, der etwa zwei Kunden mit Normalbedürfnissen aufwog.
    Mrs. Choi schüttelte mehrmals den Kopf, als wir die Sache ausheckten, und man hätte denken können, sie käme nicht aus Shanghai, sondern aus einem katholischen Kloster, aber ich brachte sie mit dem Hinweis zum Nachdenken, daß in Hongkong eben noch nicht die Gesetze der verschiedenen Steuermänner galten, sondern daß vorerst noch der Beißwettbewerb der freien Marktwirtschaft im Gange war.
    Â»Und der verlangt besondere Maßnahmen. Oder wollen Sie nicht, daß die Leute, die auf Sie lauern, das Gesicht verlieren?«
    Sie wollte. Und sie versprach, sich im Hintergrund zu halten.
    Was Wanda in den nächsten Minuten leistete, gehört zu den großen komödiantischen Meisterleistungen der Weltgeschichte. Sie schlenderte mit schwingenden Hüften erst einmal an dem Mazda vorbei, blickte dann zurück, tat so, als entdeckte sie erst jetzt die beiden jungen Männer, kehrte um und bückte sich in das herabgelassene Beifahrerfenster.
    Â»Hallo, Jungens, machen Wacko-Wacko, ganz viel gut, große Klasse ... Tagtarif ... he?«
    Sie hatte eine laute, helle Stimme, und ihr Akzent war eine Kabarettnummer für sich. Die Marktweiber wurden aufmerksam, als

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