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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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wieder einmal wie ein getretener Dackel gejault hatte: »Sie können gleich zur Fähre in Victoria fahren, ich bin in etwa einer halben Stunde dort ...«
    Eine unternehmungslustige Dame! Wer sonst, der gerade mal einen Tag in Hongkong ist, aus dem Rechtsverkehr kommt, die Stadt kaum kennt und außerdem fürchten muß, beobachtet zu werden, wie schon einmal geschehen, würde sich erdreisten, ein Auto von Tsuen Wan bis nach Victoria zu lenken, entweder durch den Tunnel, oder bis zur Fähre am Ocean Terminal, und dann auf der anderen Seite bis zum Pier der Macao-Hydrofoils?
    Wir hatten eine vergnügliche Fahrt. Ich machte anfangs, als wir merkten, daß das Fahrzeug sich an seinen Flächen über das Wasser zu heben begann, die unvorsichtige Bemerkung, daß ein Binnenländer wohl so einige Schwierigkeiten haben könnte, wenn er auf einem solchen Tragflächeninstrument von Hongkong nach Macao geschossen wird. Zudem versicherte ich ihr, daß wir die ruhigste See seit Erfindung des Windes hätten. Ich wollte sie ein bißchen aufheitern, denn ich fand sie sympathisch, und ein wenig bedauerte ich sie auch, schließlich hatte sie den Mann verloren.
    Aber sie ließ keine schlechte Laune aufkommen, litt auch nicht an Übelkeit. Und ich selbst ertappte mich immer wieder dabei, daß ich an den unscheinbaren Sitznachbarn dachte, den ich nach einer Fahrt in einem solchen Jetfoil drüben in Hongkong hatte ermuntern wollen, sich zu erheben und auszusteigen, in der Meinung, er habe einen gesunden Schlaf.
    Mrs. Choi sagte: »Ihr Hongkonger glaubt wohl allen Ernstes, Victoria ist der einzige Hafen an der ganzen Chinesischen Küste, wie?« Es klang gutmütig, etwas nach Spott. »Jemals in Shanghai gewesen?«
    Â»Das nicht. Aber nach der Statistik ist in Victoria der Umschlag größer ...«
    Sie lachte. Eine erstaunliche Frau. »Sie sollten Shanghai einmal sehen, junger Mann! Selbst auf den Flußbooten, die von dort den Yangtse aufwärts verkehren, würde den Hongkongern bis kurz vor Nanjing schon die Luft ausgegangen sein!«
    Â»Sind die so klapprig?«
    Â»Sie fahren so schnell! Und – selbstverständlich werden sie immer klappriger. Von Tag zu Tag. Weil ein paar Millionen Shanghaier immer morgens zu den Anlegeplätzen strömen und sich aus dem Holz der Schiffsaufbauten Eßstäbchen schnitzen!«
    Es machte mir Spaß, auf diese unernste Art der Unterhaltung einzugehen, und ich sagte: »Bei uns weiß man gar nicht, daß die Shanghaier überhaupt Eßstäbchen brauchen. Wo es im ganzen Land kein Huhn mehr gibt, das man braten könnte ...«
    So beinhart ich sie schon kennengelernt hatte, gleich bei unserem ersten Zusammentreffen, sie hatte nicht nur Humor, es machte ihr sichtlich ebenfalls Spaß, mit dem Florett des Witzes zu fechten.
    Â»Wo denken Sie hin!« machte sie mich mit dem ernstesten Gesicht aufmerksam, »nicht fürs Essen schnitzen sie die Stäbchen – sie kämmen sich damit!« »Ah, Haare haben sie also noch!«
    Â»Die Jüngeren. Die Älteren haben sie sich abscheren lassen und gespendet. Daraus werden Stricke angefertigt, zum Hängen von Leuten, die nicht glauben wollen, daß Buddha im Auftrage von Tschiang Kai-shek die Insel Taiwan schuf!«
    So ging das eine Weile weiter, und mir fiel plötzlich ein, daß dieses ebenso ein Gespräch zwischen zwei Hongkongern hätte sein können. Ich hatte – außer bei einem Abstecher nach Kanton, wo ich mit einem tüchtigen Polizeibeamten zu tun gehabt hatte – wenig vom Mutterland gesehen, und was die Sache betraf, so teilte ich die Skepsis meiner Landsleute im Hinblick auf die Einvernahme Hongkongs durch das Große Land. Vielleicht lag es daran, daß ich nicht mit sehr vielen normal gearteten Leuten von dort Erfahrungen hatte sammeln können, daß ich mir die Shanghaier ein wenig wie verbohrte Fahnenschwinger und Sprücheschreier vorstellte, die sich nun anschickten, über uns herzufallen, mit Pauken und Böllern. Und Porträts von Mao.
    Als ich das der Witwe Choi gegenüber durchblicken ließ, weil ich den Eindruck hatte, sie würde sich dazu äußern, tat sie das auch, allerdings anders als ich vermutet hatte.
    Sie sagte spöttisch: »Nicht nur mit Pauken und Böllern und Porträts. Mit den Zitaten des Vorsitzenden vor allem. Schon früh, noch vor dem Waschen müssen dann alle

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