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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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Gesicht: animalische Begierde, teilzuhaben, sich einzumischen, sich in jedes Geschehen zu verstricken, das die Sinne der Frau berührte. Genau so, absichtsvoll, mit weiblich verschlüsseltem Ziel und Willen, heftete Ana ihre Augen auf die Dinge der Welt. Der Linhofsucher war nichts als Vorwand.
      Giron fühlte sich angefochten von diesem Willen, er fühlte sich behelligt und wünschte nichts dringlicher, als allein zu sein.
      Jäh richtete er sich auf, setzte zuviel Kraft ein, so daß er taumelte, die Pingpongbälle hüpften in alle Richtungen davon, das Ungeschick trieb ihm einen Fluch auf die Lippen, er setzte an, wenigstens auf die Steine zu spucken. Im letzten Moment erinnerte er sich der Filter. »Wir gehen«, sagte er, ohne sich Ana zuzuwenden.
      Nach ein paar schlurfenden Schritten sandte er einen Blick zum Fluß zurück, weil ihm das zerbrochene Bild der Sonne in den Sinn fiel, wie es im Wasser geschwommen war und gezappelt hatte. Aber er sah jetzt etwas ganz anderes dort. Er sah eine Menschengestalt stehen wie eine Statue. Ana. Sie stand genau vor der Sonne, grün, dunkel, fast schwarz, scharf umrissen und wie für immer eingeschrieben in das rote, gewaltige Rund des Gestirns. Ein Medaillon. Ein Zeichen. Ein Vorzeichen. Er vergaß zu atmen in der Faszination dieses Bildes. Dann sagte er laut: »Du bist ein Narr, Giron«, und schrie der Frau zu: »Ich gehe!«
      Bald spürte er Ana dicht hinter sich, er gab an Tempo nach, bis er sie neben sich hatte.
      Ana lächelte ihm zu, der große Mund drohte ihr Gesicht zu sprengen. »Ist was?« fragte sie.
      »Warum?«
      »Du siehst so aus.«
      Ana wies mit gestrecktem Arm nach Norden. Sie hatten die Flußaue verlassen und glitten aufwärts über stufige, geneigte Platten schwarzen Schiefers. Der erhöhte Standort eröffnete den Blick über das Panorama des Flusses, bis letztes Glitzern der vielen sich weithin windenden Altwässer im grünen Dunst ertrank. Die Blässe milder Farben war mit Stille verwoben, das Land diesseits hart gefleckt von Dickichten schwarzer Vegetation, und weit hinten Tupfen fortwährenden Flimmerns wie das von Espenblättern in Sonne und Wind.
      »Ohne dich könnte ich all diese Bilder nicht sehen«, sagte Ana. »Dich muß er rauslassen. Das Wetter spielt sich nur draußen ab.«
      Giron entging Anas sonderbare Logik. Er schlitterte über den Schiefer wie über Eis, der Mangel an Schwerkraft machte den Boden schlüpfrig.
      »Erst gestern habe ich hübsche Bilder gemacht«, sagte die Frau, »Bilder von Himmeln. Die Sonne war noch nicht heraus, aber der Himmel war schon grün, hundert verschiedene Grüntöne, und mittendrin schwebte da noch die Sichel von Römisch drei Opal, rosa, durchsichtig wie ein Geist. Silhouetten von ein paar schwarzen Blumen. Ein exotischer Traum. Quer durch den Traum ein Strich, Rahels Wäscheleine. Rahels Hemdchen und solche Sachen, weiß wie Lampoo. Jan Blicher hat ihr eine Spinne gebaut, daß sie ihre Sachen draußen trocknen kann. Das sind Bilder!« Ana hielt die Hände vor sich hin, das Schwingen ihres Körpers floß bis in die Fingerspitzen.
      Giron glaubte, sie hielte die Augen geschlossen, und dann wußte er auf einmal: Die Frau tanzte. Ihre Füße sahen jede Stufe der Schieferplatten voraus, jede Neigung und die sonderbare, trockene Schlüpfrigkeit, als sei dies alles nur da, um das Entzücken am Spiel der Glieder immer neu zu entfachen.
      »Jermakow hat gebrüllt wie ein Stier, er habe verboten, aus der Hütte zu gehen, schlimme Wörter, mit einer Stimme wie Feuer aus Eis, und der Lautsprecher hat seins dazugetan, weil Andrej ja ohne das Ding nicht von drin nach draußen hat brüllen können. Judy hat die Lautstärke immerfort herauf- und heruntergedreht, damit es Rahel nicht so tragisch nimmt. Na, so was, denk ich, die karierte Judy. Aber Rahel nimmt nichts tragisch. Sie ist schön, nicht wahr? Sie ist zu schön, um etwas tragisch zu nehmen.« Ana hielt eine Sekunde inne und schaute prüfend zu Giron hinauf. »Findest du das nicht auch?« Giron sagte: »Ja.«
      »Sie ist zu Jermakow gegangen und hat ihm erklärt, wir wüßten alle nicht richtig, was wir machen sollten, aber das machten wir eben mit ganzer Kraft. Sie wird ihm ihre Hemdchen und diese Sachen unter die Nase gehalten haben, damit er merkt, wie gut sie nach Freiheit riechen, und sicher hat sie ihm auch ihre Zähne gezeigt.«
      Der Wind wehte vom Fluß her. Auf dem schiefrigen Gelände waren auf einmal eine

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