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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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beruhigen hat. Sie langte nach seinem Ellbogen in der Art der Mediziner, wenn sie die nackten Objekte ihrer Erkundungen umwenden. »Red schon«, sagte sie, »ich gebe die besten Ratschläge und schweige wie jeder erste beste.«
      Sie sah die hektischen Flecke auf den Buckeln in seinem Gesicht und spürte seinen Widerstand wachsen. »Nun gut«, fuhr sie fort, »hüte dein Geheimnis, ich verrate dir meins, auf daß meine Sorgen dich aufheitern mögen. Du erinnerst dich dieser Colikultur? Colibakterien sind harmlose

Dinger, die jeder mit sich trägt. Nur, diese habe ich heimlich aus dem toten Baal isoliert. Aus dem Baal und nicht aus einem von uns. Compris? Sie haben den Kerl gefällt wie der Hieb einer Axt. Ein paar dumme Gedanken tuckern in meinem Kopf, an welcher Stelle das Loch in der Sterilbarriere sitzt.«
      »Du warst draußen?« fragte Giron ablenkend und entzog sich ihrem Griff.
      »Schwamm drüber.«
      »Was weiß Lampoo?«
      »Er schweigt. Es gibt ziemlich viel her, wenn er schweigt.« Giron nickte. »Geh zu Ana und sage ihr, was sie angerichtet hat.«
      »Ich?«
      »Bitte!« sagte Giron flehend und hilflos. –
      Giron fand Ana hernach in Tränen vor und zu einem zuckenden Bündel zusammengerollt. Sekundenlang stand er mit hängenden Armen da und schluckte. Das Bündel barst, als er es endlich berührte. Ana schrie: »Faß mich nicht an, Giron! Geh raus! Spiel mit dir selber, wenn dir danach ist!«

    Ana Reis

    Im Laufe der Zeit gewannen die Menschen ein neues Verhältnis zum Risiko. Sie empfanden sein fortwährendes Vorhandensein, aber die tausendfältigen Farben und Formen, die ein strafendes Schicksal ehemals für den einzelnen anzunehmen vermocht hatte, wenn er sich fehlentschied, waren zu etwas Blassem, Verschwommenem ineinandergelaufen. Es gab kaum Strafen, die die Person von sich abwenden oder auf sich herabziehen konnte, zumindest waren sie nicht sonderlich schmerzhaft; ein Zeichen des Fortschritts, Ausdruck wachsender Sicherheit auf dem Erdball. Indessen griff dieser Prozeß der Einebnung, des Verblassens und Verschwimmens auch auf die Beziehungen über, die die Menschen untereinander eingingen. Es mochte einen wohl treffen, wenn man sich in der Wahl seiner Partner vergriff, aber nicht ins Mark; man suchte sich neue. Über Freundschaft,

    Vertrauen, Liebe, Verachtung und Haß, über Freude und Leid menschlichen Miteinanders wehten Signale der Inflation.

    Ana Reis wurde als Kosmonautenbaby auf dem Kalkstern Gamma Nc geboren, einem schönen und kargen Gestirn, von dessen Inseln verlöschenden Lebens vor einem Jahrzehnt die Rede gewesen war. Der Landungsmannschaft hatten sich Zwänge aufgetan, die den Rückstart über ein halbes Jahrhundert vereitelten. Sie verwandelte sich in eine Gemeinde. Ana wurde in diese Gemeinschaft als siebzehntes Glied hineingeboren und lebte in ihr acht Jahre lang. Sie wuchs unter den eisernen Regeln des Überlebens auf, kosmonautischer Technik preisgegeben, und in der Freiheit, die die überwältigende Größe und Weitläufigkeit der Natur den zwei Dutzend Einwohnern einräumte. Die Prägung blieb fortan unverwischbar. Mit neunzehn betrat Ana den Boden der Erde, sie betrat die Erde wie einen fremden Stern.
      Wie aller anderen Mitglieder ihrer Gruppe bemächtigte man sich des Mädchens, um es vom ersten wilden Ansturm des Neuen abzuschirmen. Sie zerschlug die Glocke, unter die man sie gesetzt hatte, und stellte sich selbst. Kaum etwas anderes wäre einleuchtender gewesen, als daß das blutjunge Ding im Bombardement der Eindrücke und Informationen alsbald erschlagen worden wäre. Ana wurde nicht erschlagen. Sie ergriff die Dinge dieser ihrer neuen Welt so, wie sie ihr in die Hand fielen, fest zupackend, ohne von der Geschichte dieser Dinge zu wissen, rasch entschlossen und eins nach dem anderen, und verarbeitete sie zu Bildern. Ana wurde Fotografin.
      Ein Jahr lang blieb sie in Leningrad hängen, wohin sie der Zufall abgesetzt hatte, stieß danach mit kurzzeitigen Reisen in alle Welt vor, lernte Sprachen und blieb am Ende ohne alle Bindung an einen Ort oder an irgendein Land. Da sie zunächst nahezu nichts von alldem kannte, was sie wahrnahm, galt ihr alles als lohnendes Motiv, ihr Fassungsvermögen schien unbegrenzt, und das winzige Labor, in dem sie ihre Arbeit begann, war ungeheuer produktiv.
      Ihre Bilder unterschieden sich von denen anderer außerordentlich. Ana war nichts als wißbegierig, wenn sie fotografierte, und die Gegenstände

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