Schwarze Blumen auf Barnard Drei
erstklassigen Zahnstochern und meine, er habe die Geige so gut genutzt, wie es möglich ist. Ich bin Fotografin. Menschen kann man nicht fotografieren.«
»Sagen Sie ihm das mal. Er würde sich totlachen.«
»Was denn?« fragte eine fettige Stimme. »Wer hat mir was zu sagen?« Ana spürte Bewegung hinter ihrem Rücken. Ein Mann drängte an ihr vorbei. Er hatte die geschmeidige Beweglichkeit der Dicken, die Stirn und den massigen Hals eines Durchsetzers und ein viel zu kleines, tiefgespaltenes Kinn. Es war Schichow. Zwei bärtige Typen folgten ihm, falschen Glanz von Haftschalen in den Augen, blasse, elitäre Intelligenz.
»So, die kleine Ana«, sagte Schichow, als sei er überrascht, und zu den Mädchen hin: »Verzieht euch. Ihr werdet mir dieses Eichhörnchen verschrecken. Das Eichhörnchen wird mit mir mitkommen«, ordnete er an. Er legte einen Arm um Ana und flüsterte ihr ins Ohr, während er sie mit sich zog: »Jetzt werde ich dir zeigen, wie man’s macht.«
Die Wand, an der Schichow seine Bilder komponierte, leuchtete durch das Dunkel des großzügigen Raums. Der Mann warf einen Blick auf die Projektion. »He!« rief er und lachte. »Das Thema ist gut. Wirklich erstklassig für ein hübsches Spektakel. Ihr habt dieses Foto als Urbild eingelegt? Ein schnurriges Bildchen. Das könnt ihr drinlassen.« Er ließ ab von Ana wie von einem Gegenstand und wandte sich seinen beiden Adjunkten zu, deren Schatten man an einer elektronischen Front zu Seiten des Schirmes wahrnahm. »Doch was ihr daraus macht, ist schwach wie ein Buchhalter vor der dritten Runde«, fuhr er fort, von Schüben heiseren Lachens behindert, das aus der Masse seines Leibes quoll. »Drückt mal was rein in die Mühle. Omega drei oder MOSAIK oder was anderes, wenn ihr wollt… Aber ich will Feuer sehen.«
Ana kannte diese Spiele.
»Jetzt Overlay… Und den Multiplexer… Schwach, schwach. Wen wollt ihr damit anmachen?« Schichow stand breitbeinig mitten im Raum, und der Widerschein der Bilder glänzte auf seinen Augen, aus denen alle Heiterkeit gewichen war. Man hörte die Elektroniker murmeln, leises Hantieren an Schalttasten und das Summen der Abgreifer. »Habt ihr den Shadingkorrektor noch drin? Männer, ich habe was zu verlieren! Der muß raus, ihr niesenden Fische… Stopp, gebt ihn wieder rein… Jetzt Invert, aber abstrakt… Nein, so geht’s nicht. Schaltet die Datexmatrize dazu und checkt die Extraktionen durch… Feuer! Ich will Feuer sehen!«
Ana versank in der Betrachtung der Strukturen und der glühenden Farben, die Schichows Regie auf dem Schirm entfachte. Sie fühlte sich von dem Thema angerührt, um das Schichows Entwürfe kreisten, es erregte sie, es war ihr fremd und sonderbar vertraut zugleich. Wieder spürte sie die Nähe eines Geheimnisses hinter den vorbeijagenden Bildern, das sie fesselte, und Widerwillen gegen die Art, wie sich Empfindsamkeit und Brutalität ineinander verschlangen in dem Mann, während er arbeitete.
»Nehmt den Supervisor raus!« befahl Schichow. Einer der Bärtigen widersprach. Vier Speicher seien erschöpft, die Maschine habe Nerven, es drohe ein Crash down, wenn der Supervisor nicht kontrolliere.
»Mit dem Ding hat die Mühle soviel Kraft wie ein Kastrat.« Die flammenden Visionen auf der Wand zogen Ana mächtig an. Aber da waren das elektronische Rotwelsch dieser fettigen Stimme, dem sie gehorchten, und ein Stachel des Mißtrauens. Sie hockte auf einem der Teppiche vor der Wand, hielt ihre Mappe umklammert und wehrte sich gegen den Rausch.
»Soll ich ihn selber rausnehmen?« fragte Schichow eisig. »Der Gang quer zur herrschenden Moral ist riskant und ein unbequemer Job«, sagte er zu den Männern hin, ehe er sich Ana zuwandte: »Und eine seichte Jugend die schlechteste Schule für den Bildermacher. Nun, Süße, ich kenne deine Jugend nicht. Wie war sie? Seicht, nicht wahr?«
Die leere Großspurigkeit traf Ana wie ein Schnitt ins Fleisch. Sie spürte eine bedrohliche Entdeckung herannahen, etwas Unerwartetes schickte sich an, aus der Projektionswand auf sie herabzuspringen. Da hörte sie die Stimme Boboschkins aus dem Dunkel. Boboschkin lachte. Der Mann lachte dröhnend und mit dem Ausdruck ungetrübter Heiterkeit.
»Crash down«, sagte einer der Männer mit erhobener Stimme, »noch ein paar Sekunden.«
Ana sprang von ihrem Teppich auf, steif vom Sitzen, ihre Knie knickten ein. Krumm und ein wenig hilflos ging sie auf Schichow zu. »Was
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