Schwarze Blumen auf Barnard Drei
übergehen in pfiffiger Weise die Massen zu Staub zermahlener Substanz, die die Atmosphäre der Städte schwer und zähe machen. Die Expansion der Pilze und die Wolken von Sporen, mit denen sie die Luft schwängern, mag man nicht vorausgesehen haben.
Aber all die Bilder treffen kaum das Wesentliche, sie beschreiben nur Oberflächen. Darunter wirkt der Plan.
Plan ist ein lapidarer Ausdruck. Er verbirgt, statt zu offenbaren. Er verbirgt diese ungeheuerliche Maschinerie gesellschaftlicher Prozesse, der Rückkopplungen zweiten, dritten und höheren Grades, die Mechanismen der Statistik. Unzählige zusammengesinterte Einzelheiten, durch die bestimmt ist, was »menschliche Gesellschaft« heißt, müssen hinreichend sicher und beherrschbar sein. Die Lager der Planmaschine haben die Vibrationen, Reibungen und Stöße des lebendigen Betriebs aufzufangen, ohne zu reißen.
In der Tat halten sie seit geraumer Zeit stand, das ist sicher. Der Widerspruch zwischen der Unberechenbarkeit des einzelnen, der innerhalb seiner Freiheitsgrade handelt, und dem Zwang zur Voraussage gesellschaftlicher Bewegungen wirkte als Motor der Entwicklung eines Gemeinwesens, das absehbar dem Begriff Menschheit gleichzusetzen sein wird und das in keiner der vorangegangenen Gesellschaften seinesgleichen findet. Eins der Resultate ist die nahezu absolute soziale Sicherheit jeder Person und das Prinzip der Sofortbefriedigung ihrer Bedürfnisse. Jemand beginnt irgendein Vorhaben. Häufen sich Widerstände, gibt er die Sache auf und fängt eine andere an. Er hat auf diese Weise letztlich stets Erfolg. Wer sich an irgend etwas festbeißt, was er wirklich will, stößt auf ein System immer neuer unsichtbarer Wände, irgendwann mag er sie einrennen, sie sind keineswegs graniten, er wird sich also durchsetzen, freilich unter unsinnigem Kraftverschleiß; naturgemäß werden solche Fälle selten.
Man gerät hier in den verschwimmenden Lichthof des Begriffs Glück. Jedermann setzt den Wert des Glückes hoch an und hegt eigene Vorstellungen. Indessen geht es weit weniger um den Inhalt der Ziele, die einer anvisiert, als darum, daß er sie erreicht; unerfüllbare Träume verklemmen die Seele. Nun, vernünftige Ziele sind heute billig. Hinter dem Erfolg harrt der Siegespreis zur Nutzung: das Glücksgefühl. Es hat eine seichte Amplitude. Die Menschen in den Holovisionsprogrammen sehen gesund, kraftvoll und klaräugig aus, und man bemerkt zuweilen Müdigkeit, Verlassenheit und gefrorenen Charme im Gesicht der Leute auf der Straße. Je weiter sich der Kosmos ausdehnt zu einer den Menschen zugänglichen Welt, um so enger rücken unsichtbare Wände um den einzelnen zusammen. Ein Paradoxon? Nur zwei planmäßige und vorhersehbare Aspekte ein und derselben Sache.
Judy Bean und Rahel Bruceau waren Kinder ihrer Zeit, winzige Elementarteilchen in diesem ungeheuren Betrieb und entwickelte Persönlichkeiten mit jungen, lebendigen Körpern und mit Köpfen voll großer und kleiner, wichtiger Pläne.
Eine frische Brise wehte durch die achtundfünfziger Halle des siebenten Highway, Judy Bean schnüffelte, die Luft roch so, als ob es in der offenen Welt oben tüchtig regnen würde. Judy reckte den Hals, um den Indikator zu entdecken, und wirklich sausten die Bilder furchtbar vieler Tropfen über die Leuchtfläche.
Plötzlich lief eine Welle durch die Menge, sekundenschnell, eine unvermutete Synkope im Fluß einer Melodie; Wechsel der optischen Indikatoren von Weiß auf Grün, das Grollen der Trottoire fiel um eine Terz ab. Judy sah sich noch einmal um, daß sie an der vereinbarten Stelle stehe, da zischte der Zug schon herein, stand, die Container spien ihre Fracht aus, saugten neue ein, Judy wedelte mit ihrem Animiertüchlein, als sie Rahel in dem Geschiebe zu erkennen glaubte. »Hello!« rief sie mit ihrer wenig leistungsfähigen Stimme. »Rahel, hier!« Als ob in diesem brodelnden Kessel jemand solches Piepsen hätte wahrnehmen können. Die Freundin drängte sich zwischen den vielen Menschen hindurch. »Du bist spät«, sagte Judy.
»Ich habe gewaschen. Ein paar Sachen, die sie mir nicht zerfetzen sollen. Um elf habe ich noch zu Hause geplantscht und bin schon da«, teilte Rahel lebhaft mit und Anerkennung heischend für die Geringfügigkeit der Verspätung.
»Um elf?« fragte Judy.
»Kurz nach elf bin ich ganz runter in die vierte Container-Sub, durch bis zum neunten Ring, in die Transversale, sie schicken einen dann rauf zur Fünf,
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