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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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Regeln einer sonderbaren Physiologie fanden die Wurzeln, mit denen sie selbst in dieser Stadt verflochten war, immer wieder Nahrung, aus der sie reine Kräfte sog. Die Lauterkeit ihrer Ansichten überdauerte wie ein unglaublich widerstandsfähiges Unkraut. »Mir gefällt meine Arbeit auch«, sagte sie.
      Rahel seufzte.
      Ein Schwarm abendlich aufgeputzter Mädchen zog lärmend an ihnen vorbei. Lachen, schlanke Beine zwischen den Zipfeln der Ponchos, geschmeidige Bewegungen wie die von Katzen.
      »Die woll’n fischen«, stellte Rahel fest. »Die armen Kerle, die denen in die Netze gehn.« Sie lehnte sich auf der Bank zurück und schwieg. »Van Timmen tut wirklich eine Menge für mich«, sagte sie nach einer Weile. »Nicht daß er viel darüber redete, aber meine gelbe Karte sieht schon ganz gut aus. Auch er sieht gut aus. Ich glaube, in bestimmten Situationen würde er sich wunderbar verhalten.«
      Über den Antennenspitzen der Holovision flammten die roten Warnlichter auf. Die Antennen selbst waren in den Schatten versunken, der Himmel schmolz mit dem Blau der Stadt zu einem einzigen, mild bestirnten Himmel zusammen, der den Park wie ein Mantel zu umschließen schien. Die roten Kugeln schwammen mitten in diesem Raum wie ernste, sonderbar nahe Planeten. Die Technik beschenkte die Welt mit Pracht und Schönheit aus immer neuen und unerschöpflichen Quellen. »Das ist großartig, nicht wahr?« sagte Rahel.
      Aus der Tiefe stieg eine Stimme empor, der sich andere zugesellten, die Türme der Nikolaskirche kündigten das Amsterdamer Abendläuten an. Die Glocken all der hundert musealen Kirchen fielen ein, aus irgendeiner Ferne flossen die Klänge ineinander zu seltsam eindringlichem Singsang einer fremden, versunkenen Welt. Über das Feste, über das Sichere, über Stein, Stahl, Berechenbarkeit, Ichsucht, Maß und Vorschrift wehte flüchtiger Wind; Traum, das Ungewußte, Sehnsucht, das Schwanken menschlichen Strebens nach Menschlichkeit.
      Das Läuten dauerte zwei Minuten fort. Dann flogen die Töne davon, und nur die Stille der beginnenden Nacht blieb zurück.
      Rahel richtete sich plötzlich zu übertriebener Geradheit auf. »Krümel in Amsterdam. Kohlenstoff und Nitrat bis zur vierten Dezimale, wenn du wieder zu Hause bist. Ein bißchen Lanthan und Alphastrahlung ein Ereignis, wo immer du sein wirst«, sagte sie voller Ergriffenheit. »Solange du dieses Karo trägst, wird sich in deinem Leben nichts ändern. Ist das nicht grauenhaft?«
      Judy wandte sich der Gefährtin zu und schaute ihr nahe ins Gesicht. »Mädchen, redest du wirklich von mir?« fragte sie erschrocken.
      Sie sahen sich erst einige Wochen später wieder. Rahel streifte Judys modisch geschnittenen Poncho mit einem Blick. »Wo du nur immer diese einfältigen Muster auftreibst«, bemerkte sie beiläufig. Dann breitete sie eine Menge Magnetkarten und Papiere vor Judy aus, und Judy sah sie der Reihe nach durch. »Ich träume schon davon«, sagte Rahel, »eigentlich träume ich nur noch von diesem elenden Quark und von nichts anderem. Es muß wenigstens irgend’ne Stellung im Orbitalverkehr herausspringen, später, wenn ich mit der Ausbildung soweit bin«, fuhr sie eilfertig fort. »Posten in einem terrestrischen Observatorium, womöglich in einem Zubringer dürfen sie in ihrer Zuckertüte drinlassen.«
      »Gut, Mädchen«, sagte Judy, die Unterlagen zu einem Päckchen ordnend, »du hast doch alles beisammen. So ein Aufwand, was?«
      Rahel strich sich eine Locke aus dem Gesicht, und die großen, in ihre Haare eingeflochtenen Holzperlen klapperten wie Kastagnetten. Sie lächelte. Mit den beiden schiefen Zähnen, die in den Mundwinkeln sichtbar wurden, und mit dem Funken Stolz in den Augen war sie überaus liebenswert anzusehen. Sie schwieg eine Weile. »Der Scheck fehlt noch«, sagte sie dann.
      »Einmal Rohrpost zur DOK und zurück. Da kann doch nichts mehr passieren.«
      »Nun…«, sagte Rahel zweifelnd.
      »Hat van Timmen etwas gesagt?«
      »Wie kommst du auf van Timmen?« fragte Rahel. Aber sie fuhr gleich fort: »Es ist wahr. Van Timmen hat mir gesagt, es gibt keine Schecks. Nicht prinzipiell. Natürlich würde ich meinen Scheck bekommen, aber es sind keine da.«
      »Aber Rahel«, antwortete Judy nachsichtig. »Sie werden eine neue Charge signieren, eine Sache von Minuten für das Büro, das dafür da ist.«
      »Ich denke, du weißt nicht so richtig, was ein Scheck hier ist«, sagte Rahel. »Hier ist

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