Schwarze Blumen auf Barnard Drei
noch und seien vorerst zu nichts zu gebrauchen.
»Sehen Sie?« sagte Jermakow mit einer lockernden Geste und hielt eine Weile inne, ehe er fortfuhr: »In der Sache der Coliinfektion bin ich einfach überfragt. Ich nehme Ihren Vorwurf an, Giron, soweit Sie als Vorwurf ansehen, was Sie vorbrachten. Was soll ich machen? Was raten Sie mir? Ich nehme ihn an wie andere Anklagen, die ein verschwiegenes Dasein führen in unserem Haus. Einstweilen sollten wir zufrieden sein, daß es wieder Wasser gibt… Tschuk und Blicher, diese tüchtigen Kerle. Lassen wir sie schlafen, sie haben sich’s verdient. Indessen, auch ich bin – wie sagten Sie das? – vorerst noch zu nicht vielem zu gebrauchen«, Jermakow musterte Giron über den Rand seiner Brille, »wie Sie mir’s auch auslegen mögen, Salman. Sie legen mir’s doch aus, nicht wahr?«
Der Abnehmer ratterte erneut. Jermakow seufzte. Zeilen im Display, die geläufige Prozedur auf dem Manual, der Blick zur BECKMESSERUhr. »Übrigens, Giron«, sagte Jermakow, indem er sich erhob, um den Rapport zu beenden, »die von diesen… Schwarzen verlegte Trasse betreffend, denken Sie sich zuviel. Sie mögen sich beruhigen. Lassen Sie davon ab. Man treibt dort Spiele. Ich nahm mir Zeit und den Jeep diese Nacht und sah ihrer Hunderte sich munter in den Blumen herumwälzen. Was Blicher entdeckte, dieses Feld auf dem Schiefer, ist ein Vergnügungsetablissement, nichts anderes, eine Art Eros-Center oder wie Sie die hiesigen Einrichtungen nennen wollen. Die… Schwarzen sahen wirklich nicht krank aus, nicht mal im Licht meiner Funzel. Ein anregendes Bild.«
Orlow blieb sitzen. Giron sah ihn von oben her. Orlow blickte so starr auf einen der Schirme, als spiele sich dort Bedeutendes ab.
»Wissen Sie«, Jermakow legte Giron seine Hand auf die Schulter, und ein kaum sichtbares Lächeln kräuselte seine Lippen, »bei gewissen Anlässen wäre es mir auch nicht recht, wenn man mir einen Besenstiel quer durchs Bett legte.«
Orlow sagte vom Rechner her: »Zweihundertdreißig K, vierzig Grad Kälte. Ist das der Temperaturfühler im Außencleaner? Andrej, ist er das?«
»Nun, Boris?« Jermakow wandte sich um, als er seinen Namen hörte.
Ana stand plötzlich im offenen Rollo. »He, Andrej! Wie siehst du aus? Zankt ihr euch hier? Die Boolies waren wieder da. Deswegen? Ich habe wunderbar geschlafen. He, Andrej! Hörst du mir zu? Ich wollte mich waschen, aber der Cleaner nimmt nichts an. Immer ist Rot. Er kann doch nicht voll sein!«
Giron wartete auf rebellisches Knallen von Schützen, und dann suchte er Orlows Augen nach Zeichen von Genugtuung ab. Aber er fand keine solchen Zeichen.
Judy Bean und Rahel Bruceau
Die Menschen machen sich von jeher Gedanken um das zukünftige Bild ihrer Welt, wie sich die zu einer Zeit entwickelt haben wird, an der sie nicht mehr teilhaben. Über eine lange Reihe von Jahrzehnten vor dieser unserer Gegenwart ergießt sich eine wahre Flut solcher futuristischen Bemühungen. Dennoch sehen die meisten der Bilder, die von Phantasten, von ernsthaften und von Berufs wegen mit derartigem beschäftigten Leuten oder von Kindern erdacht wurden, einander überraschend ähnlich. Fast immer handelt es sich um eine Superstadt, die alle Richtungen des Raumes durchsetzt, um einen unter- und überirdischen Wabenbau grandioser, filigran ausgearbeiteter Architektur, eine perfekte Transportmaschinerie, die ungeheure Frachten an Menschen und Gütern in übereinandergestapelten Ebenen verteilt oder vertikal von einer Horizontalen zur anderen pumpt. Glas, Aluminium, rastloses Gewimmel, Fluten von Licht, die Despotie unsinnig genau gehender Uhren, abgegrenzte Spielräume für Beruf, Versorgung, Vergnügen und für Psyche, Holovisor, Liebe und Schlaf, förmlich hörbares Klicken der ineinandergreifenden Mechanismen des Lebensbetriebs.
Und genauso sehen die Städte der Industriestaaten heute aus. Sie gleichen den vorweggenommenen Phantasien wirklich verblüffend, so als sei Geschichte eine unglaublich einfältige Angelegenheit.
Auf den zweiten Blick ergeben sich Unterschiede. Die Ausdrucksmittel der Zeichner, Kollageure und Schreiber vermochten das fortwährende Dröhnen der Highways weniger eindrucksvoll einzufangen als die optischen Aspekte ihrer Impressionen, auch bedurften sie der Annahme klarer Luft, um die Vernetzung der städtischen Lebensadern darzustellen und wie tief sie in die Perspektive gestaffelt sind. Die Hypothesen und Träume
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