Schwarze Blumen auf Barnard Drei
aber ich blieb im Lift bis zur siebenten High, es ist überhaupt keine Sperre dort, kein Mensch weiß das, man kann fahren, einfach so«, sprudelte Rahel hervor.
»Helles Mädchen«, antwortete Judy anerkennend. »Vor elf gab’s Wasser?«
»Eben«, sagte Rahel, »auf einmal war welches da. Sie haben da was umgepolt.«
»Richtiges zum Waschen? Kein Trinkwasser?«
»Richtiges! Glaubst du, ich bin ’ne Kriminelle? In der Transversale war ein toller Mann.«
»Flieger?« fragte Judy lachend.
»Weiß nicht. Sah nach was Brauchbarem aus.« In Rahels wie immer still und schön anzusehendem Gesicht änderte sich nichts, nur ihre Stimme nahm den Ausdruck von Dringlichkeit an, als sie fortfuhr: »Judy, du mußt mir helfen, und es muß schnell gehen.«
»Ja?« sagte Judy bereitwillig.
»Sie machen einen Kurs für Astrometrie, in Haarlem, und schon Ende des Planjahrs. Und…«
»Wollt ihr jetzt auch den Sternen Sakkos anmessen?« fragte Judy amüsiert.
»Ach, Judy«, sagte Rahel. »Ich denke, du weißt gut genug, daß wir nicht bloß für die Konfektion da sind. In der metrischen Statistik kommt es überhaupt viel weniger auf die Primärdaten an als auf die Methoden ihrer Verarbeitung«, fügte sie ein wenig lehrhaft hinzu, sie war gekränkt und fühlte sich in der schwächeren Position. »Die Gebiete sind sich wirklich viel ähnlicher, als du glaubst.« Und mit einem halb tadelnden und halb werbenden Blick auf die Gefährtin: »Und du verstehst auch gut genug, was ich mit der Ausbildung erreichen will.«
»Ja, ich weiß. Es gefällt mir nicht«, sagte Judy. »Du hast die Meldenummer schon besorgt? Wirst du freigestellt? Wirst du zugelassen? Was ist mit der Energiekarte und mit der Verkehrskarte? Woher willst du die Signaturen kriegen? Und was ist mit der gelben Identikatskarte? Deine sieht ein bißchen schlimm aus, wie die einer flatterhaften VBE.«
»Das stimmt«, gab Rahel zu, »aber ich habe mit Houtman und van Timmen gesprochen, und ich denke, dieser Formalismus wird ziemlich glatt durchgehen. Haarlem ist gut mit der Sub zu erreichen, wenn ich mein Wohnanrecht gegen eins in Nord tausche. Es gibt da Möglichkeiten, die ganze Bürokratie gleich mit zu erschlagen.« Rahels Ausdrucksweise paßte zu ihrem Typ wie Alpaka zwischen altes Meißner Porzellan.
»So? Mit van Timmen«, sagte Judy interessiert, »dann kann ich mir vorstellen, daß du wieder durchkommst, du bist wirklich das immerwährende Opfer deines Aussehens.« Sie langte nach einem Zipfel des Ponchos, den Rahel trug, und betrachtete die Farben aus verschiedenen Gesichtswinkeln. »Und welche Rolle ist mir zugedacht?«
»Du kennst die Bruyns«, sagte Rahel, »sie müßte morgen in der Runde über die Jugendobjekte meinen Namen auslassen. Sie brauchte keinen Finger krumm zu machen für mich, sie dürfte nur meinen Namen nicht nennen. Das würde mir einen Block auf der gelben Karte einbringen, und dann…«
»Du denkst an alles, an wirklich alles«, sagte Judy.
Ein besonderer Ausdruck in deren Gesicht, den Rahel fürchtete, veranlaßte sie zu einem Appell in Gestalt einer Maxime allgemeinerer Gültigkeit: »Solche Möglichkeiten liegen überall herum«, sagte sie, »du mußt sie nur aufheben. Es gibt dann immer ein paar, die sich aufregen, weil du die Chancen wirklich annimmst, die sie dir geben. Ich find’s wirklich dumm, nicht jede Chance zu nutzen.«
Judy antwortete nicht. Eine Weile sah sie nachdenklich über die durcheinanderwimmelnde Menge und das Lichterspiel der Informatoren hin, während der Blick Rahels auf sie gerichtet war.
Das Bild des Wetterindikators zeigte das Ende des Regens an.
Judy hatte Format. Es war keinesfalls sogleich ersichtlich, wo dieses Format in einer so kleinen und dünnen Person untergebracht sein sollte, deren Äußeres mit dem zusammenfassenden Urteil »unscheinbar« ohnehin leicht abgetan werden konnte. Nun, Judy hatte hübsches goldrotes Haar und sehr kleine, feingliedrige Hände und Füße, die eines Aufmerkens schon wert gewesen wären, und die weiße Zartheit der Hautpartie unter dem Halsgrübchen, die ihre Kleidung preisgab, mochte den einen oder anderen phantasiebegabten Interessenten in berechtigte Verwirrung versetzen. Vielleicht war es das Wesentliche ihres Charakters, daß Judy niemals bedachte, daß sie einen solchen besaß, und das trug wohl dazu bei, daß er durch nichts Außergewöhnliches in Erscheinung trat und sich raschem
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