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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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breitete sich Stille aus. Die Señores sanken, sobald der Pilot sie verlassen hatte, in ihre Sessel zurück, schwiegen, und es blieb unersichtlich, was hinter ihren Stirnen vor sich ging. Hernach und von einem weiter vorn und weiter oben liegenden Ursprung ausgehend, drangen Vibrationen zu ihnen herein, von kraftvoll gebrauchtem Werkzeug hervorgerufene Erschütterungen, Knirschen, Hammerschläge, das Scheppern großer, übereinanderstürzender Bleche, Geräusche einer fernen, fremden, rohen Welt. Darüber hinweg rauschte der Regen.
      Einer der Männer sagte plötzlich: »Schließlich haben wir einen exakten Vertrag!«
      »Und Termine«, ergänzte der andere.
      Als sei dies ein Signal, ermunterten sich die Herren und begannen, Gepäck und Kabine zu inspizieren. Indessen kannten sie ihre Aussichten gut genug, um zu wissen, daß sie nicht finden würden, wonach sie suchten. Am Ende blätterte ein jeder in einem Prospekt mit der Aufschrift NETHERLAND AIRLINES SOUTHEASTASIA, der einzigen Beute ihrer Suchaktion.
      Morán, sein doppeltes Kinn streichend, sagte nach einer Weile: »Thailandkrebse mit Sauce ravigotte, Schinken auf Reis, SurabajaPasteten mit marinierten Perlzwiebeln, Käse. Dazu…«
      Die Miene des Dünnen, Knochigen, gerann. »Es handelt sich um das Menü für die Fluggäste der Linie Bangkok – Singapur. Wußten Sie, Señor Salinas, daß man Kung Pao – Linie Saigon – Manila – mit Mandeln und Rosinen zubereitet und daß man es wieder mit echtem Safran würzt? Die Safrankrokuskulturen können von den Gästen der Linie in Quezoni besichtigt werden, das am Ende der Route unweit von Manila liegt. Sie finden die Angabe auf Seite dreiundzwanzig des Prospekts.«
      »Hören Sie auf!« sagte Salinas scharf. »Der Mensch hält es ziemlich lange, ohne zu essen, aus.«
      »Was Sie nicht sagen! Wie lange?«
      »Der Organismus verzehrt seine eigenen Reserven«, erklärte Salinas ungenau.
      Señor Morán betrachtete die Statur seines Gegenübers, und seine Miene drückte Zweifel aus. »Und dann?«
      »Unordnung strengt mich an«, gab Salinas, zum Fenster blickend, erneut bekannt, »es ist achtzehn Uhr.« Und wie an einer Schnur gezogen, riß der Regenvorhang auf. Rundum wurde ein Meer von Blättern sichtbar, dichtes, triefendes Grün von fataler Nähe und Ausschließlichkeit. Salinas verharrte eine Zeitlang in diesem Anblick, dann reckte er sich zu hagerer Länge, rüttelte an der Kabinentür, bis sie sich öffnete, und stieg entschlossen die Gangwayleiter hinab. Kaum zehn Sekunden später war er wieder oben.
      Morán erkundigte sich nach dem Eindruck, den sein Kollege vom Stand der Reparatur erhascht haben mochte. Salinas aber richtete nur angewiderte Blicke auf seine von braunem und grünlichem Modder beschmutzten Schuhe und Beinkleider und hüllte sich in Schweigen, dem der Hall von Hammerschlägen, das Kreischen malträtierten Blechs und ab und an über die Kabine hinlaufendes Erzittern bedeutungsschweren Inhalt verliehen.
      Dann sank die Nacht herab. Es gab kein Licht außer dem Schein einer Lampe, der von draußen durch die Fenster drang, und geheimnisvoll einherschwebenden grünen Funken da und dort vor der schwarzen Mauer der Bäume. Wie Flämmchen über erkaltender Asche flackerten ein paar Worte zwischen den Señores auf, PASCAL, FORTRAN und MOSAIK fehlten unter diesen spärlichen Worten, bis auch diese erloschen. Nur weiter vorn und weiter oben hielt das Werken an, bis der neue Tag aufkam, grüne und blaue Töne in die gelben der Lampe mischte und der Gesang der Bärenzikaden begann.
      Die Wiederkehr des Lichtes und ungewohnte animalische Schwächen, die die Nacht in der Kabine hervorgebracht und zurückgelassen hatte, weckten die Señores zu Unruhe und nervöser Betriebsamkeit. Es zog sie ins Freie.
      Was sie sahen, war niederschmetternd. Was sie hörten, auch.
      Der Helikopter hing schief über meterhohem Wurzelgeschling am Grund einer winzigen Lichtung, die nicht mehr war als ein Loch im Wald, ein mit grünen, himmelhohen, zerklüfteten Wänden ummauerter Schacht. Rundum lagerten Stapel demontierter Bleche, deren Ränder von Nietenlöchern perforiert waren, Regenwasser stand in blechernen Mulden, Blätter, ertrunkenes Geziefer, abseits ein Stück Persenning mit Armaturen darauf und Hunderten von akkurat zu Reihen geordneten Schrauben.
      Über der Kanzel spießte ein Wirrwarr nackter Innereien der Maschine in die Luft, gerippter Guß, Elektrik,

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