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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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verdarb ihm den Stil. Lampoo sprach von Purinbasen wie von Zähnen dieser Verschlüsse, von Synthesefermenten wie von Läufern, die diese Reißverschlüsse hinauf- und wieder herabfuhren, ritsch und ratsch, Hunderte Zähne in der Sekunde schließend und öffnend, und von einem Widerspruch, den er in diesem Auf- und Abfahren habe erkennen müssen.
      Wider Willen ließ sich Rahel von Lampoos Rede fangen und wandte sich dem Mann zu, der darlegte, wie manche der Läufer nach Millisekunden in ihrer Fahrt innehielten, ehe sie zu Ende sei. Unverhofft stoppten sie wie vor einem zu dicken Zahn im Verschluß, vor etwas, was sie nicht zu überfahren vermochten, die Base Pyrazin nämlich, die wohl dem hiesigen Leben, nicht aber dem irdischen eigen sei, auch nicht den Mikropili der Colis, den Spießen, mit denen die ihr Opfer angingen. Synthese finde nicht statt, Stoffwechsel finde nicht statt, ein bündiger Schluß.
      Lampoo schob eine bedeutungsvolle Pause ein. »Die Colis fällten den Baal wie mit dem Hieb einer Axt«, sagte er dann, fingerte in der Tasche nach dem Döschen mit Minzedragees, hielt das Döschen auch Rahel hin. »Mit einer Axt. Ja. Wer sagte das doch? Wer denn? Manche Kollegen neigen zu leichtfertigen Diagnosen«, schloß er mit dem Ausdruck warmherziger Gewogenheit. Aber sein Lächeln war messerdünn.
      Rahel folgte nur einem Reflex. »Poul, du niederträchtigster aller Tugendbolde, jetzt bist du der Größte«, sagte sie mit ihrem betörendsten Lächeln, »ich könnte dich küssen.« Und dann reckte sie sich, küßte den Mann wirklich, kehrte sich um und ging.
      Lampoo blickte ihr nach, ein bißchen dümmlich aussehend vor Überraschung und Haß.
      In Wahrheit begriff Rahel Lampoos Botschaft erst viel später: daß Ana keinen der Schwarzen infiziert hatte, daß Ana niemanden hier mit Colis hatte infizieren können, denn Weiß und Schwarz waren immun gegeneinander. Aber der Nebel blieb, und mit ihm blieb ihre Furcht.

    Giron füllte den Raum mit dem Geräusch gesunden Atmens, sonst aber schlief er wie tot, und das bereits seit zehn Stunden. Eigentlich seit elf, denn während Rahel seine Wunden mit Spray und seinen Kiefer mit einem neuen Zahn versah, hatte er auch schon geschlafen. Dann aber kehrte das Leben wieder in ihn zurück.
      Rotes Licht schoß ihm in die Augen und machte ihn blind. Aber diesmal war er gewitzt und wußte, auch ohne zu sehen, daß ihn die Pingpongs blendeten, Halden polierter, blitzesprühender Bälle aus reinem Gold. Wie immer stoben sie unter seinen Stiefeln hervor, erhoben sich, in Ketten gereiht, zu sonderbar wallendem Flug in die Luft. Dann waren die Pingpongs auf einmal schwarz und angeschwollen, die Ketten schossen nicht mehr von ihm weg, sondern auf ihn zu. Warum gerade auf ihn? Sie umkreisten ihn, neugierig, zudringlich, frech, daß er auswich. Er wußte aber, daß er straucheln und fallen würde, mit den boshaften Bällen und den null Komma zwei g unter den Stiefeln.
      Da schlug er um sich in seiner Not, seine Hand traf einen schwarzen Baal und blieb an ihm kleben, hundert Arme schlängelten durch die Luft, um ihn zu umwinden, er hörte sie zischeln, wenn sie aneinander rieben. Und dann wußte er plötzlich, was kommen würde, wehrte sich nicht mehr, wartete nur und hörte dem Zischeln zu. Wirklich schmiegte sich, was er erwartet hatte, warm und betörend unter seine Hände und entfachte das hinreißende, hitzige, wundervolle Stürmen seines Blutes, das er schon kannte.
      Ana flüsterte Süßes und Schlimmes, er spürte ihre Lippen und das Beben ihrer Wimpern am Ohr. Sie breitete sich über ihn aus, schmeichelnd, schnurrend, wild wie eine Katze. Sie liebten sich, tauchten ineinander und auseinander auf, und wieder waren da Anas Finger wie flatterhafte Schmetterlinge auf seiner Haut, Finger mit Krallen, Zähne, Unersättlichkeit. Wellen, gleißende Lust und in den Tälern Erschrecken vor dem Übermaß.
      Als er die Augen aufschlug, sah er als erstes ihr Gesicht. »So eine Menge Sommersprossen«, sagte sie. »Bist du wieder da, Salman? Sogar auf dem Bauch sind welche.« Ana kniete neben ihm auf der Koje, sie beugte sich über ihn. Sie hatte sich ganz und gar in etwas Dunkles gewickelt, aus dem nur der Kopf hervorsah, von irgendwoher floß blasse Helligkeit, und ihr Gesicht schwebte über ihm wie ein nahes, leuchtendes Gestirn. »Ich bin verrückt«, sagte sie rauh, und ihre Augen verdunkelten sich vor Eifer und Scham, »ich war wirklich irrsinnig, nicht

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