Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
Vom Netzwerk:
auffaserten, und die Gedanken, die er darlegte, verloren sich vor dem Ziel, das Orlow, während er arbeitete, in immer weitere Ferne entwichen zu sein schien.
      Man sprach über den Mann, man urteilte mit Wohlwollen und guter Absicht, die bei diesem und jenem Mitglied des Lehrkörpers mit dem Fortgang der Zeit ein wenig angestrengt wirken mochten. Die Urteile liefen auseinander. Man habe die Aufgaben zu großzügig abgesteckt. Zu großzügig? Je weiter der Raum, um so größer die Wahrscheinlichkeit, daß eine Spur aufzufinden sei, die zur Lösung hinführe. Das eben sei sein Verhängnis, wandten Orlows Verteidiger ein, er verliere sich im Wirrwarr der viel zu vielen Spuren.
      Ob jemand Orlows Ansätze hinreichend gründlich analysiert habe? Der Mann sei nicht ohne Verdienste, wurde festgestellt. Als Kybernetiker habe er in Fachkreisen, die Bionik angehe, Aufmerksamkeit hervorgerufen. Überraschung: Orlow Kybernetiker? Es wurden einige Titel linguistischer Arbeiten genannt, deren Autor Orlow war.
      »Unmöglich«, sagte jemand. »Haben Sie seine Manuskripte gesehen? Die, die er hier fabriziert? Er kann nicht mal mit der Maschine schreiben.«
      Kybernetiker seien ohnehin eher Künstler als seriös, wurde eingeworfen, von Linguisten nicht zu reden.
      Ein grimmig aussehender Mann lachte, er sah sogar während seines Lachens grimmig aus. »Er liest, während er schreibt«, sagte der Mann, »es fällt ihm fortwährend etwas ein, irgendwelche neuen Aspekte des Sachverhalts, von dem der Text handelt. Zum Tippen gehört ein gewisser Stumpfsinn, der ihm abgeht.«
      »Nun, Disziplin geht ihm ab. Orlow ist ein disziplinloser Mensch.«
      »So?« fragte der Grimmige mit schmalgekniffenen Augen. »Was ist das, Disziplin?«
      Orlow hatte aller Kritik, der er sich auslieferte, kaum etwas entgegenzusetzen. Er verteidigte sich so, wie er schrieb. Sein Charme war nicht der Art, daß sich der Mann durchsetzte.
      Es kam ein Tag, an dem der Dozent außergewöhnlich unpünktlich eintraf. Ohne Umschweife gab er das Thema an:
      »Auf einem Planetoiden befindet sich eine Kristallzüchtungsanlage. Sie wird durch einen Prozeßrechner gesteuert. Der Prozeßrechner regelt zugleich die Lebensbedingungen der dort stationierten Mannschaft. Die Programme für diese Funktion bedürfen der Korrektur. Die Korrekturen sind nach jeweils achtundvierzig Stunden fällig. Wird der Termin überschritten, nehmen die Umstände nach etwa zehn Tagen lebensbedrohlichen Charakter an. Der Rechner wird durch frei gesprochene Worte programmiert.
      Zur Ermittlung der Korrekturen bedient man sich eines weiteren großen Rechners, der Bestandteil eines gegenwärtig ruhenden Observatoriums ist. Der Programmierer übernimmt den Output des freien Rechners und spricht die Korrekturen in den Prozeßrechner ein. Aus Gründen, die hier nicht erörtert werden können, hört der Prozeßrechner seit einiger Zeit nur auf die Stimme dieses seines Herrn, auf die Stimme des Programmierers, und auf keine andere.«
      Der Dozent blickte über den Rand seiner Gläser hinweg in die Gesichter der Studenten. »Anweisungen, die ihm jemand anders gibt, führt er einfach nicht aus«, sagte er nachdrücklich. »Die Mannschaft besteht aus dem Programmierer, einem Allround-Techniker, einer Ärztin und aus neun Kindern, die sich zur Therapie von Schäden an ihrer Wirbelsäule dort aufhalten. Vor zwei Stunden meldete die Ärztin den Tod des Programmierers.«
      Der Dozent schwieg einige Sekunden. »Man gibt Ihnen zwei Tage zur Lösung des Problems«, fuhr er dann fort, und plötzlich lagen Zuwendung und die Wärme persönlicher Anteilnahme in seinen Worten. »Klausurbedingungen. Verwenden Sie nicht mehr als zehn Prozent Ihrer Zeit auf die Darlegung von Beweisen. Maßgeblich ist die Lösung, die Sie finden werden, und nicht die Form, in der sie vorgelegt wird. Zeigen Sie, was in Ihnen steckt. Bitte, zeigen Sie, was Sie können!« Die Länge der vorgegebenen Zeit und eine irritierende Atmosphäre, die den Raum unversehens zu füllen schien, bewirkten eine Verzögerung des Lärms, mit dem die Studenten gewöhnlich aufbrachen, um ihre Kabinen aufzusuchen.
      »Warum sagen Sie: ein Planetoid? Es ist Amor. Ich… Warum sagen Sie nicht, daß Sie von Amor reden?« fragte Orlow, während die Stille in den Geräuschen des Aufbruchs unterging.
      Der Dozent war im Begriff, das Seminar zu verlassen. Er warf, eine Sekunde unschlüssig, einen Blick in die Richtung hin, aus

Weitere Kostenlose Bücher