Schwarze Blumen auf Barnard Drei
der er Orlow gehört hatte. Orlow war hinter der Gruppe kaum mehr sichtbar. Der Dozent setzte seinen Weg fort, öffnete und durchschritt die Tür, ohne zu antworten.
In den darauffolgenden Stunden senkte sich Ruhe über die Schule. Nach der üblichen Zeit erwachten die Korrespondenzen zwischen den Kabinen, den Speichern und den Einrichtungen, die externe Informationen vermittelten, danach folgte die Phase der Anforderungen von Rechnerkapazität. Aber die Antennen des Hauses arbeiteten pausenlos. Die Menge der Zeichen, die sie entsandten und empfingen, und die Art der Absender und Adressen, von denen diese Anfragen und Nachrichten ausgingen oder an die sie gerichtet waren, standen in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, den die Lösung einer Seminaraufgabe gewöhnlich mit sich brachte. Der Hauptstrom der Informationen floß an den Kabinen der Studierenden vorbei in die Ebene der Schulleitung selbst. Man arbeitete dort fieberhaft, aber auf eine gleichsam verstohlene Weise.
All das vollzog sich in der Stille, und auf stillen, keinesfalls einleuchtenden Wegen breitete sich unter den Studenten die Überzeugung aus, daß alle möglichen Leute über der gleichen Aufgabe brüteten.
Draußen brach inzwischen ein Unwetter los, dessen Nahen niemand beachtet hatte. Das Lärmen der Sturmböen, des herabstürzenden Regens und des Donners versetzte die leeren Korridore in um so tieferes Schweigen.
Um zwei Uhr in der Nacht schlug in der Kabine des Dozenten der Summer an. Der Dozent drückte die Verbindung. Auf dem Schirm erkannte er das Gesicht Orlows. Der Dozent drosselte einen Lautsprecher, aus dem eine weibliche Stimme drang, streifte mit kurzem Rück das Bild eines Monitors, eine Frau schien dort aus einer Art Labor zu berichten, die Übertragung war mangelhaft und von zahlreichen Störungen überflogen, unentschlossen beließ er das Bild und wandte sich dem Anrufer zu.
Orlows Kinn und Wangen waren schon von schwarzen Stoppeln rauh, aber der Mann sah keineswegs müde aus. Der Dozent hatte den Eindruck, als spähe Orlow an ihm vorbei. »Ja?« meldete er sich und bedachte flüchtig, daß er den Monitor doch hätte ausschalten sollen.
»Bitte, ich brauche Rechnerkapazität am OTT. Entschuldigen Sie«, sagte Orlow.
Der Dozent hob die Hand zu einer beschwichtigenden Geste. »Wieviel?«
»Zwei Stunden.«
»Zwei Stunden am OTT – und natürlich sofort. Mann! Wissen Sie, was Sie da fordern?« Der Dozent blickte über seinen Zwicker hinweg auf das Bildchen des Videophons, als ob er den Mann auf diese Weise wirkungsvoller fixieren könne. Plötzlich bemerkte er Orlows Hände. Die Knöchel und Fingerspitzen der ineinander verschlungenen Hände waren weiß. »Ich werde den Rechner für Sie frei machen«, sagte der Dozent. Er wartete einige Sekunden auf eine Antwort. Dann nickte er Orlow zu und schaltete ab.
Den ganzen folgenden Tag unterließ es der Dozent, Kontakt zu Orlow aufzunehmen, obgleich ihm die geltenden Regeln gewisse Möglichkeiten dazu offenhielten. Er hätte gern gewußt, was Orlow diese vollen zwei Stunden am OTT zu rechnen gehabt hatte.
Der Abend war mit den Rapporten der Studenten ausgefüllt, in denen ihm die Ergebnisse ihrer Überlegungen mitgeteilt wurden. Einer Reihe von Ideen mußte nachgegangen werden. Kurz vor Ablauf der vorgegebenen Frist – am Morgen des nächsten Tages und erst als er seine Protokolle abhakte – sah sich der Dozent gezwungen, Orlow vorführen zu lassen, denn der hatte sich nicht selbst gemeldet. Zu dieser Zeit war er schon zu erschöpft und zu mutlos, als daß ihm Orlows diffizile und zurückhaltende Arbeitsweise hinreichend gegenwärtig gewesen wäre.
Der Dozent war sehr müde. Seine mit Mobiliar vollgestopfte Kabine lag im dämmrigen Halblicht, der Himmel war noch immer von schweren Wolken verhangen, trotz der fortgeschrittenen Stunde sickerte nur trübe Helligkeit durch das Fenster. Mit Unbehagen legte der Dozent den Ausdruck entgegenkommenden und zu einem gewissen Grade gespannten Interesses in seine Miene, als Orlow endlich in die Kabine trat. Aber die flüchtige Betroffenheit in Orlows Augen entging ihm nicht. Während er schon sprach, dachte er daran, daß vielleicht auch er selbst so aussehe wie dieser Mann. »Sie haben nicht geschlafen, nicht wahr?«
»Doch, natürlich«, antwortete Orlow, »man macht sonst Fehler. Es darf hier keine Fehler geben. Dann sollte einer besser nicht beginnen.«
Der Dozent deutete auf einen
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