Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
war. Die Frau hatte früher ganz leise mit ihr gesprochen und ihr gut zugeredet, hatte gesagt, dass alles gut würde und sie zusammen fliehen könnten, doch jetzt verdrehte sie die Augen, und ihr Mund formte schluchzend Worte, die nicht mehr zu irgendeiner verständlichen menschlichen Sprache gehörten.
O Gott.
Es war zu viel.
Plötzlich war Hannah aufgesprungen und in Bewegung. Sie lief durch die Bäume zurück. Wieder auf den Weg. In ihrem Kopf herrschte vollkommene Leere – dafür hatte sie kein Rüstzeug. Sie war nur wild entschlossen, so schnell wie möglich hier rauszukommen, diesem Alptraum wieder zu entfliehen.
31
Z uerst dachte ich, dass ich wieder Sterne sehe.
Auf dieser Seite hatte man die ganze Wiese vor sich, auf der jeder Quadratmeter aufgegraben und wieder zugeschüttet zu sein schien, wodurch es keine einzige ebene Fläche gab, sondern nur einzelne grasbewachsene Flecken zwischen Kratern aus nackter, umgepflügter Erde. Das alles glitzerte unter dem Flutlicht, doch die Sterne waren, wie ich jetzt merkte, keine visuelle Täuschung, sondern Blumen, die unter den Scheinwerfern glänzten.
Hunderte schwarzer Blumen bedeckten mit ihren unvollständigen Blüten die gesamte Wiese. Sie erinnerten an frisch geschlüpfte Vögel, die ihre nackten Hälse reckten und die großen hungrigen Schnäbel aufsperrten. Blind, verdreckt und hilflos.
O Gott.
Es handelte sich um ein riesiges Massengrab, das in einzelne Bereiche untergliedert war. Hier hatten der alte Mann und seine Familie ihre Toten begraben. Ihre Pflanzen gezogen.
Drüben am Haus wurde eine Tür zugeknallt. Ich sah mich ohnmächtig um. Es gab keinen einzigen Stein, hinter dem man sich hätte verstecken können, noch nicht einmal einen, der vielleicht groß genug war, um damit das Vorhängeschloss zu zerschlagen. Und selbst wenn, hätte ich wohl nicht mehr die Kraft gehabt, ihn aufzuheben. Es gab nichts, womit ich mich verteidigen konnte.
Ich stolperte zum Fenster zurück.
Ally hatte das blasse, verängstigte Gesicht an die Gitterstäbe gedrückt.
»Ich krieg das Schloss nicht auf.«
»Neil …«
»Gib mir deine Hände. Vielleicht krieg ich dieses Scheißklebeband ab.«
»Das bringt nichts. Mein Bein ist an dieses Mistding gekettet.«
»Was für ein Ding?«
»So was wie ein Tisch. Der ist im Boden verankert.«
Ich stieß mich von der Mauer ab und ließ mich seitlich am Bunker auf den Boden fallen. Ich suchte nach irgendetwas Brauchbarem. Und fand nichts.
Ich hatte keine Ahnung, was wir machen sollten.
Tut mir leid, Ally.
Früher oder später würde er hier herunterkommen. Wahrscheinlich jeden Moment. Der einzige Plan, der mir einfiel, bestand darin, hier zu warten. An dieser Ecke schützte mich der Bunker vor dem Flutlicht. Ich konnte mich in diesen Streifen Schatten drücken und versuchen, den Mann, sobald er hier herumkam, anzugreifen, bevor er mich sah.
Es war eine jämmerliche Idee, so viel wurde mir klar, als mich der Schmerz in einer neuen Woge erfasste. Meine Hände waren glitschig vom Blut. Ich stellte mir Regenbogen aus Feuer vor und einen Bauch voll gleißendem Licht. Barbaras Worte fielen mir wieder ein.
Und der Polizist wurde auch nicht am Ende auf einem Bauernhof zu Tode gefoltert.
Ein Schatten fiel über den Garten. Er wirkte riesig und legte sich wie Wellenkräusel über die Furchen in der Erde. Seine Schritte hallten herüber: Die Erde knirschte unter seinen Sohlen, während er die Blüten geräuschlos niedertrat.
Ich spannte die Muskeln und atmete langsam tief durch die Nase ein. Für den Augenblick waren die Sterne wieder verblasst. Das war meine Chance.
Nur dass sich der Schatten über den schwarzen Blumen auf der Wiese jetzt einen Schritt zur Seite bewegte. Und als er wieder in mein Gesichtsfeld trat, war er mehrere Meter von der Ecke des Bunkers entfernt. Zu weit weg für mich, selbst wenn ich mich hätte aufrecht halten können, ohne mich an der Wand abzustützen. Ich hätte nicht die geringste Chance gehabt.
Also lehnte ich einfach dort und wartete.
Es war ein Hüne von einem Mann: zweifellos derjenige, den ich in jener Nacht in dem Lieferwagen unter meiner Wohnung gesehen hatte. Zur Hälfte stand er im Flutlicht, das auf die Wiese fiel, zur Hälfte im Schatten. Das eine Auge, das ich sehen konnte, blickte mich an.
Ein paar Sekunden lang bohrten sich stumm unsere Blicke ineinander, dann kam er auf mich zu. Als er die Ecke des Bunkers erreichte, merkte ich, dass ich nicht mehr stehen konnte. Ich fiel hin
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