Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
sagte ich. »Da war was.«
»Ein Geräusch?«
»Vielleicht.«
Er warf einen Blick über die Schulter in den Flur.
»Soll ich mal nachsehen?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich war inzwischen alt genug, um zu begreifen, dass es nichts nützte nachzusehen. Mit Logik war da nichts zu machen. Jetzt war da vielleicht nichts, dafür aber später. Kinderlogik vielleicht, doch instinktiv verstand sie mein Vater. Jedenfalls wurde er nie ungeduldig oder sauer.
Er setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett.
»Soll ich dir was vorlesen?«
Ich überlegte. »Ja bitte.«
»Gut.«
Er legte sein Buch auf den Boden. Dasjenige, aus dem er mir kürzlich vorgelesen hatte – Das Geheimnis des siebten Zauberers von Diana Wynne Jones –, lag mit den aufgeschlagenen, verknitterten Seiten nach unten auf dem Nachttisch. Trotz seines Berufs war mein Vater mit Büchern immer achtlos umgegangen. Das Entscheidende sind die Geschichten, die drinstehen, sagte er dann. Die kann man nicht verbiegen.
Doch er nahm nicht dieses Buch zur Hand, sondern erfand stattdessen eine Geschichte. In einem solchen Fall fing er immer langsam, tastend an, doch sowie die Erzählung allmählich Gestalt annahm, wurde er schneller und flüssiger. Ich sah, wie seine Augen vor Freude blitzten, und in meiner kindlichen Naivität glaubte ich, die Geschichte, die er erzählte, besäße so etwas wie Magie: als wäre sie schon immer da gewesen und hätte nur darauf gewartet, entdeckt und erzählt zu werden.
Jetzt rieb er bedächtig die Hände, als wollte er das gewöhnliche Tagesgeschehen abwaschen.
Und sagte: »Dies ist nicht die Geschichte von einem kleinen Mädchen, das verschwindet.«
Und mit einem Schlag war ich wach.
Im Schlafzimmer war kein Licht; auf der Hauptstraße draußen war es still und dunkel. Es war noch mitten in der Nacht. Ich wandte den Kopf und sah Ally neben mir schlafen. Sie lag auf dem Bauch, ihr Rücken hob und senkte sich langsam und kaum merklich unter ihrem regelmäßigen Atem, ihr Gesicht war friedlich und entspannt. Nachdem ich noch eine Weile reglos liegen geblieben war, schien alles in bester Ordnung zu sein. Nur der Traum hatte mich aufgeweckt, und trotzdem pochte mir das Herz so heftig wie damals als Kind, wenn ich mich vor der Stille und der Dunkelheit fürchtete.
Dies ist nicht die Geschichte von einem kleinen Mädchen, das verschwindet.
Das hatte ich vom Klappentext dieses Romans Die schwarze Blume in Erinnerung, doch alles andere in dem Traum konnte ebenso gut aus meiner Kindheit stammen. Hatte mein Vater das je gesagt? Ich wusste es nicht; ich erinnerte mich bei keiner der Geschichten, die er erfunden hatte, mehr an den Inhalt. Darum war es auch nie gegangen, sondern darum, für eine Weile die Stille zu füllen, die Dunkelheit abzuwehren.
Weshalb also kam mir Wisemans Buch wieder in den Sinn?
Ich schob die Hand unter den Kopf und starrte an die blaugraue Decke. Vielleicht war es ganz natürlich, dass es mich nicht losließ. Immerhin hatte ich mir das Buch angesehen, kurz bevor ich mit der Polizei sprach, und so hatten sich diese beiden Dinge in meinem Kopf miteinander verwoben. Ganz zu schweigen von dieser gruseligen Scheißblume. Doch ich wurde das Gefühl nicht los, als wäre das nicht alles.
Ich lag ein paar Minuten da und versuchte halbherzig, wieder einzuschlafen, doch vergeblich. Aus irgendeinem blöden Grund war ich hellwach.
Leise, um Ally nicht zu stören, kroch ich unter der Decke hervor und ging in die Küche, wo meine nackten Füße an den Plastikfliesen klebten. Auf dem Timer am Herd war es 4:58. Absurd früh, doch ich machte trotzdem den Wasserkocher an und setzte mich an den runden Holztisch, stützte die Ellbogen auf und rieb mir die Schläfen.
Es war nicht nur der Zeitpunkt, zu dem ich das Buch und die Blume darin gefunden hatte. Es hatte auch damit zu tun, dass es dort auf dem Schreibtisch meines Vaters gelegen hatte, als hätte er bei seiner Arbeit hineingeschaut und es sogar zu Rate gezogen. Und dann war da noch meine Äußerung gegenüber Marsha über das, was meinem Vater das Schreiben bedeutete. Ungeachtet meiner Naivität schien er tatsächlich von einem Projekt in Anspruch genommen gewesen zu sein, und er hatte verflucht noch mal Termine in seinem Kalender gehabt.
Haggerty. Ellis. Ergab es vielleicht Sinn, Verabredungen zu treffen, zu Recherchen zu verreisen, wenn er die ganze Zeit plante, sich umzubringen?
Nein. Für mich war das nicht nachvollziehbar.
Und falls er vorhatte, sich
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