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Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Titel: Schwarze Blumen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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Akte.«
    Gray macht keine Anstalten nachzusehen; natürlich hat er es längst gesehen. Stattdessen nimmt er einen Zug an der Zigarette. Eine Sekunde später steigt spöttischer Rauch zwischen ihnen auf.
    »Glauben Sie ihre Geschichte, Sullivan?«
    Ja, denkt er, allerdings.
    »Es ist möglich, Sir. Ich glaube, es wäre …«
    Gray schneidet ihm mit der erhobenen Hand das Wort ab.
    »Möglich.«
    Er gibt sich den Anschein, als überlegte er, doch Sullivan weiß genau, was er denkt. Alle im Dezernat glauben, sie hätten es hier mit einem Ausreißer-Kind zu tun, das Angst hat, die Wahrheit zu sagen und die Konsequenzen zu tragen.
    Das heißt, alle außer Sullivan. Aber natürlich weiß er, was die anderen über ihn denken. Nach dem Tod von Anna Hanson ist er zu parteiisch, zu gequält, allzu sehr geneigt, alles für bare Münze zu nehmen. Natürlich haben sie alle Verständnis. Der Tod eines Kindes setzt einem zu; wenn nicht, würde etwas mit einem nicht stimmen. Andererseits lautet die stillschweigende Regel, einen Schlussstrich zu ziehen. Man muss das richtige Gleichgewicht finden zwischen Mitgefühl und Widerstandskraft; man darf sich einen Fall nicht ewig zu Herzen nehmen. Nach nunmehr einem Jahr hat Sullivan dieses ungeschriebene Gesetz gebrochen. Genauer gesagt, seit Clark Poole seine erste Beschwerde gegen ihn eingereicht hat.
    »Vieles ist möglich, oder nicht?«, sagt Gray. »Mir klingt es nach einer Geschichte, die ein Kind sich ausgedacht hat. Zum Beispiel, nachdem es sich einen zweifelhaften Film angesehen hat.«
    Sullivan antwortet nicht. Grays Bedenken sind naheliegend: Die Geschichte des Mädchens ist das Entsetzlichste, was er je gehört hat. Doch in seinen Augen heißt das nicht, dass sie sich die Sache ausgedacht hat.
    Gray schnippt Asche weg.
    »Haben Sie diesen Bauernhof ausfindig gemacht?«
    »Nein, Sir. Dafür brauchen wir noch mehr Anhaltspunkte.«
    Bei ihrer Befragung hat das kleine Mädchen ihnen erzählt, es sei auf einem abgeschiedenen Gehöft aufgewachsen. Für die Kleine war es natürlich nicht abgeschieden, denn sie hat nie etwas anderes gekannt. Sie hat einen jüngeren Bruder, eine Mutter – und den Vater. Die einzigen Gelegenheiten, bei denen sie mit der Außenwelt in Berührung gekommen ist, waren Tage wie gestern, an denen der Vater mit der Familie in seinem rostigen alten Lieferwagen mal hierhin, mal dorthin fuhr. Manchmal dauerten solche Ausflüge Stunden. Und bei vielen dieser Gelegenheiten kehrten sie mit einem neuen Freund zurück. Manchmal einem Kind; manchmal einem Erwachsenen. Manchmal auch mehr als einem.
    Doch so schlimm das an sich schon klang, war es nicht halb so entsetzlich wie das, was mit den Opfern geschah, wenn sie erst wieder bei ihnen auf dem Hof zurück waren.
    »Ein Gehöft findet sich leicht«, beharrt Gray.
    »Wie bitte, Sir?«
    »Ich meine, wenn Sie nur gründlich genug suchen.«
    Sullivan schüttelt verwirrt den Kopf.
    Gray breitet die Hände aus. »Wenn Sie nach einem Hof suchen, finden Sie auch einen. Genauso, wie Sie gleich mehrere finden werden, wenn Sie nach vermissten Kindern namens Jane suchen.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen, Sir.«
    »Ich will Ihnen damit sagen, DS Sullivan, dass unser Kind jeden beliebigen Namen erfunden haben könnte, und Sie wären sofort losgezogen und hätten ein passendes Mädchen dazu gefunden. Sie haben alle Namen, wissen Sie. Leider Gottes gibt es zu jedem Namen auf der Welt verschwundene Kinder.«
    »Sie glauben, sie hat das Ganze erfunden? Wozu?«
    »Was weiß ich? Wie denn auch? Ich habe nicht den blassesten Schimmer, was in den Köpfen kleiner Mädchen vor sich geht – Sie vermutlich auch nicht. Was ist mit der Handtasche?«
    »Wir haben das Fabrikat ermitteln können. Es ist eine geläufige Marke.«
    »Und es ist nicht die Handtasche eines kleinen Mädchens, DS. Demnach muss sie die Tasche entweder gestohlen oder irgendwo gefunden haben, nicht wahr? Jedenfalls hat sie nicht dieser Jane Taylor gehört, oder?«
    »Nein, Sir.«
    Aber, wie gesagt, das steht alles in der Akte, die zwischen ihnen auf dem Schreibtisch liegt. Das kleine Mädchen hat nie behauptet, die Tasche gehöre ihr oder »Jane«. Sie sagte, die Tasche habe einer der anderen Frauen gehört, die ihr Vater auf den Hof gebracht hatte, deren Namen sie nie erfuhr. Eine von den vielen.
    Gray will die Zigarette über dem klobigen Aschenbecher abklopfen, überlegt es sich dann anders und drückt sie aus. Sullivan erkennt, dass sein Vorgesetzter ihm genau auf

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