Schwarze Diamanten (Bruno Bd 3)
fragte Bruno. „Es muss vor
meiner Zeit gewesen sein.“
„Es gab eine hässliche Trennung, als der Junge ungefähr zwölf war und
mit seiner Mutter nach Paris gezogen ist. Die Eltern wurden wohl letzten Endes
geschieden. Ich hörte, dass die Mutter in Paris gestorben ist. Das muss vor
fünfzehn oder zwanzig Jahren gewesen sein.“
Bruno nickte Pater Sentout zu, als dieser zwei älteren Frauen seinen Arm
anbot. Pons senior war Rosalie behilflich. Der Bürgermeister wird die
Familiengeschichte kennen, dachte Bruno, oder vielleicht der Baron. Jedenfalls
schien die Rückkehr des Sohnes Probleme mit sich zu bringen. Bruno ließ den
Blick über die Szene schweifen und fühlte sich an ein Gemälde in der Kirche von
Saint-Denis erinnert. Guillaume Pons lag am Boden, das Hemd voller Blut und den
Kopf auf Pamelas Schoß gebettet. Zu beiden Seiten standen der Bürgermeister und
der Baron, und vor Pons' Füßen kniete Albert. Eingerahmt wurde die Gruppe von ecolos, die auf den
Sohn hinabblickten, der von seinem Vater niedergestreckt worden war. Bruno
konnte sich genau daran erinnern, wann er zuletzt das Gemälde eingehend betrachtet
hatte, nämlich während des Chorkonzerts zu Ostern, als er gleich neben dem
Gemälde in der Bank gesessen hatte. Das Haydn-Oratorium Sieben
letzte Worte unseres Erlösers am Kreuze war unter Leitung von Pater Sentout
aufgeführt worden. Bruno erinnerte sich an den fotokopierten Text des Stücks
und an Pater Sentouts kurze Erläuterungen. Einer der Sätze hatte ihn lange
beschäftigt und kam ihm jetzt unwillkürlich wieder in den Sinn. Eli, Eli,
lama sabachthani - Mein Gott, warum hast du mich
verlassen?
Chapter 2
Bruno fuhr liebend gern in der alten Citroen ds des Barons. Er genoss es, wie der
Wagen in der Kurve lag, und er fand dessen Form geradezu zeitlos modern. Bruno
hatte den Baron unzählige Male die Vorzüge dieses Autos preisen hören: dass es
weltweit das erste mit Scheibenbremsen und hydraulischer Federung gewesen war.
An all die anderen Besonderheiten konnte er sich nicht mehr genau erinnern,
doch eines würde Bruno nie vergessen können, nämlich dass Charles de Gaulle
diesem Auto sein Leben verdankte. Auf den General - so nannte
der Baron seinen Helden immer noch - waren in den sechziger Jahren mehrere
Attentate durch die oas verübt worden, jene militärische Geheimorganisation, die dafür kämpfte,
dass Algerien französisch blieb. Bei einem dieser Attentate waren der
Präsidentenlimousine - einem Citroen ds - die Reifen zerschossen worden, und dennoch hatte sie mit voller Geschwindigkeit
entkommen können.
„Wusstest du, dass ich dieses Auto von Pons gekauft habe?“, fragte der
Baron, den Blick auf die schmale Allee gerichtet, deren dichtes Spalier aus
Bäumen im Scheinwerferlicht flackerte. In einer Stunde würde die Sonne aufgehen,
und sie wollten noch vor acht Uhr den Markt von Sainte Alvere erreichen.
„Es muss über zwanzig Jahre her sein, vielleicht auch mehr, jedenfalls
kurz nachdem ihn seine Frau verlassen hat. Es war ein Schnäppchen. Heute würde
ich auf einer Oldtimer-Auktion bis zu 100000 Euro dafür
bekommen.“
„Du würdest ihn nie verkaufen“, sagte Bruno. „Erzähl mir von Pons.
Weshalb hat ihn seine Frau verlassen?“
„Es heißt, er hat sie geschlagen. Sie kam aus dem Süden, aus der Gegend
um Carcassonne, und arbeitete hier als Lehrerin am College. Eine richtige
Schönheit, blond und mit goldener Haut, typisch Süden halt. Ich wohnte damals
in Paris, und als ich im Sommer hierherkam, war sie leider schon an Pons
vergeben. Olivia hieß sie.“
„Neidisch?“
„Ja, das war ich.“ Der Baron lachte. „Aber Pons war nicht gerade für
seine Treue bekannt. Sie nahm seine Seitensprünge eine Weile hin, hielt sich
dann aber selbst schadlos. Ich war einer der Glücklichen und beileibe nicht
der Einzige. Pons kam dahinter, und mit der Ehe war's vorbei.“
„Wie kam sie finanziell weg?“
„Ich habe ihr einen Rechtsanwalt vermittelt, der dafür sorgte, dass sie
gut dabei wegkam. Aber in Geldsachen war Pons ohnehin nie knauserig, schon gar
nicht, wenn es um seinen Sohn ging. Allerdings hat er sich darüber beklagt,
dass der Junge ihn nie sehen wollte und Olivia ihn angeblich gegen den Vater
aufgehetzt hätte.“
„Wusste der Junge von ihrer Affäre mit dir?“
„Das bezweifle ich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch Pons davon
nichts wusste. Olivia und ich waren immer sehr diskret. Ich war ja selbst
verheiratet, als sie nach Paris
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