Schwarze Diamanten (Bruno Bd 3)
auszulöschen. Aus Unterlagen geht hervor, dass in dem besagten
Lager über zwölftausend Kinder zur Welt gekommen sind. Viele von ihnen haben
inzwischen ihren Namen wieder geändert, was man ihnen nicht verdenken kann.
Hätte ich >Oktoberrevolution< oder patriotische Rache< geheißen,
würde ich mir auch einen anderen Namen zugelegt haben. Uns bleibt nichts
anderes übrig, als so viele dieser Kinder wie möglich ausfindig zu machen und
zu einem DNA -Test zu überreden.“
„In wie vielen Fällen ist Ihnen das bislang gelungen?“, fragte Bruno.
„Es sind inzwischen knapp über dreihundert.“
„Mit den Genen seines Großvaters wird das Kind doch vielleicht
auffallen“, sagte Bruno.
„Können Sie sich vorstellen, wie viele vietnamesische Waisenkinder aus
dieser Zeit amerikanische Väter haben? Zehntausende haben einen westlichen
Einschlag.“
Bruno ließ sich in einen Sessel fallen. Die Enttäuschung raubte ihm den
Rest der nach der vergangenen Nacht noch übrig gebliebenen Energie. „Könnte ich
irgendetwas tun?“
„Wir geben nicht auf und setzen Anzeigen in vietnamesische Zeitungen.
Das machen viele Familien so, die Angehörige suchen. Es gibt inzwischen
etliche Suchdienste und Privatdetektive, die sie darin unterstützen.“ Bao Le
schaute auf die Uhr. „Sie sprachen davon, einen Zug erwischen zu müssen. Ich
habe draußen einen Wagen mit Chauffeur stehen und könnte Sie zum Bahnhof
bringen.“
Chapter 23
Nicco, Brunos Amtskollege in Sainte Alvere, erwartete ihn am Bahnhof Le
Buisson. Er war verärgert. „Haben Sie Ihr Telefon verloren?“, fragte er. „Ich
habe versucht Sie zu erreichen.“
Unwillkürlich griff Bruno zum leeren Futteral am Gürtel und erinnerte
sich, dass der Brigadier sein Handy hatte. Er hatte im Zug vor sich hin gedöst
und von der Strecke kaum etwas mitbekommen, einer Fahrt, die für Weinliebhaber
einer Pilgerreise gleichkommt, da sie an Saint Emilion, Sainte Foy la Grande
vorbei und durch die Weinfelder von Castillon und Pomerol führt. Für Bruno war
der vertraute Anblick endloser Reihen von Rebstöcken Heimat, die er in sich
fühlte, auch wenn er sie nicht vor Augen sah. Und die waren ihm im Zug vor
lauter Müdigkeit zugefallen.
„Tut mir leid“, sagte er. „Ich musste mein Handy abgeben und bekomme
ein neues, das nicht abgehört werden kann. Es hat deswegen Schwierigkeiten
gegeben.“
„Auch Florence vom Trüffelmarkt hat ständig versucht, Sie zu erreichen.
Gute Nachrichten, sagt sie. Es geht um irgendein Kassenbuch.“
„Wie gut kennen Sie Didier, Nicco?“
„Den Marktmanager? Gut genug. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihn sonderlich
mag. Steckt er vielleicht hinter diesen Betrügereien?“
„Das Kassenbuch könnte uns Aufschluss geben. Es war bislang nicht
aufzutreiben.“
„Ein hausgemachter Schwindel also. Wen wundert's? Mir sind ein paar
Beschwerden zu Ohren gekommen, es schien aber nichts Gravierendes zu sein. Wie
groß ist der Schaden?“
„Das lässt sich erst abschätzen, wenn wir alle Bücher geprüft haben. Es
scheint allerdings um erhebliche Beträge zu gehen.“
„Wird Anklage erhoben?“
„Das entscheidet Ihr Bürgermeister.“ Bruno wollte sich auf dieses Thema
nicht näher einlassen. „Wann hat Florence angerufen?“
„Mich? Mehrere Male. Sie wollte wissen, wie Sie zu erreichen sind. Wenn
ich richtig verstanden habe, werden Sie sich heute auf dem Kinderfest treffen.
Wenn Sie Florence schon früher sprechen wollen, könnte ich Sie zu ihr bringen.“
„Das wäre nett. Ich weiß nämlich nicht, wo sie wohnt.“
„In einem kleinen Apartment über dem Friseurgeschäft, viel zu beengt mit
den Kindern. Aber sie sagt, dass sie nach Saint-Denis umzieht.“
„Ja, sie wird dort demnächst im College unterrichten.“
„Schon mal was von dem Sportfest in unserem Kindergarten gehört? Zuerst
laufen die Knirpse um die Wette, dann die Mütter. Florence war diesmal mit
Abstand die Schnellste.“
In seinem Landrover folgte Bruno dem Polizeichef von Sainte Alvere zu
einem kleinen Friseurladen, wo sich die Bewohner der Sozialbausiedlung am Rand
der Stadt die Haare schneiden ließen. Nicco winkte zum Abschied und fuhr
weiter. Bruno drückte auf die Klingel zur Wohnung im Obergeschoss. Gleich
darauf hörte er Schritte auf der Treppe.
„Bruno!“, rief Florence überrascht, als sie die Tür öffnete. Sie strich
sich die Haare aus der Stirn und zupfte an ihrer Schürze, strahlte und wirkte
ganz gelöst, irgendwie... Er suchte nach
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