Schwarze Diamanten (Bruno Bd 3)
dem passenden Wort. Hübscher wäre zu
viel gesagt, aber sie wirkte plötzlich viel anziehender auf ihn. „Mit Ihrem
Besuch habe ich nicht gerechnet.“
„Nicco hat mich vom Bahnhof abgeholt und mir gesagt, dass Sie mich
sprechen wollen, wegen des Kassenbuches. Aber wenn's Ihnen gerade nicht
passt...“
„Ich wollte mit den Kindern spazieren gehen.“ Sie zeigte auf einen
zusammengeklappten Kinderwagen für Zwillinge, der das enge Treppenhaus fast
zustellte.
„Dann würde ich Sie gern begleiten“, sagte er. „Sie holen die Kinder
runter, und ich mache den Wagen klar.“ Sie lächelte und lief nach oben,
während Bruno den Kinderwagen nach draußen brachte und auseinanderklappte.
In weniger als fünf Minuten war sie zur Stelle, umgezogen und frisch
frisiert. Die Kinder trugen Mäntel, Handschuhe und Wollmützen.
„Dora und Daniel“, sagte Florence. „Eigentlich Dorothee, aber ich nenne
sie Dora.“
Bruno ging vor den Kindern die Hocke, grüßte sie mit freundlichem
Lachen, hob sie in den Wagen und gurtete sie fest. Sie waren gepflegt, munter
und wirkten kerngesund.
„Ja, ich habe das Kassenbuch gefunden“, sagte sie, als er sich
aufrichtete. „Ich weiß, wie Didier tickt. Er ist immer auf der Hut, und wenn
was schiefläuft, weist er jede Schuld weit von sich. Dass das Buch einfach so
verschwindet, konnte ich nicht glauben.“
„Sie meinen, er hat es absichtlich irgendwo abgelegt, wo es niemand
finden kann.“
„Genau“, erwiderte sie. Wie selbstverständlich schob Bruno den
Kinderwagen. Florence ging mit zügigen Schritten neben ihm her und erklärte.
Anstatt in Didiers Büro zu suchen, war sie unter dem Vorwand in den Keller
gegangen, ein paar Zahlen in den Unterlagen vom Vorjahr überprüfen zu wollen.
Schon in dem dritten Karton, der von ihr geöffnet worden war und Belege für
die Wohnungssteuer enthielt, hatte sie das Buch mit dem roten Einband und dem
schwarzen Rücken gefunden. Jetzt steckte es in der Tasche am Kinderwagen, und
Florence zog es für Bruno hervor.
„Ich schätze, Sie werden die Einträge darin mit den gesammelten
Quittungen vergleichen müssen“, fügte sie hinzu. „Mir ist aufgefallen, dass
Sie den Karton, in dem diese Quittungen aufbewahrt werden, versiegelt haben.
Ich konnte also nicht selbst nachsehen, habe aber anhand meiner eigenen
Aufzeichnungen ein paar Rechnungen angestellt. Zwei Dinge sind mir dabei ins
Auge gesprungen. Erstens, dass die gezahlten Preise bei der Auktion nach
Verkaufsschluss immer deutlich unter dem Marktwert lagen.“
„Was auf Absprachen hindeutet“, sagte Bruno. Florence schien nicht zu
verstehen. „Die Bieter haben offenbar verabredet, sich nicht gegenseitig zu
überbieten. Das kann auf Dauer aber nur dann funktionieren, wenn der
Auktionator, in unserem Fall also Didier, mitspielt und zu den niedrigen
Preisen verkauft, anstatt die Ware auf Lager zu halten. Und was ist Ihnen als
Zweites aufgefallen?“
„Der Hauptaufkäufer war fast immer jemand mit dem Namen Pons. Er hat
jedes Mal in bar bezahlt, und zwar einen Betrag, der noch unter den anderen
Geboten lag.“
„Stehen Initialen vor dem Namen? Es gibt einen Boniface und einen
Guillaume Pons.“
Florence schüttelte den Kopf. Bruno erinnerte sich an ein Gespräch mit
Hercule, der ihm gesagt hatte, dass Didier früher einmal für Boniface auf einer
Trüffelkultur gearbeitet habe, aber dann sei der Versuch eingestellt worden und
Pons habe seine Bäume an Holzhändler verkauft. Pons musste sich also im
Trüffelhandel auskennen. Möglich, dass sein Name ohne sein Wissen vorgeschoben
worden war. Wie auch immer, Florence hatte da offenbar einen Schwindel aufgedeckt,
der schwerer wog als falsch deklarierte billige Trüffeln aus China.
„Sie haben mir eine Menge Arbeit abgenommen.“ Bruno lächelte sie an und
fand im Unterschied zu seinem ersten Eindruck, dass ihre graublauen Augen sehr
viel weniger kühl schienen.
„Passen Sie auf!“, sagte sie und ergriff seinen Arm. Er steuerte mit dem
Kinderwagen geradewegs auf einen Laternenmast zu.
„Oh, tut mir leid, ich bin an so was nicht gewöhnt.“
„Passiert mir auch, wenn ich in Gedanken bin.“ Sie warf einen Blick auf
ihre Kinder. „Meistens warnen sie mich, wenn's brenzlig wird.“
„So, ich muss jetzt los, ins Rathaus, um Zahlen zu vergleichen“, sagte
Bruno. „Wir sehen uns doch auf dem Kinderfest, oder?“
Sie schaute zu Boden. „Ich fürchte, wir können nicht kommen. Die andere
Mutter, die mich immer mitnimmt, ist
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