Schwarze Dynastie
rannte über die Straße.
Lee murmelte etwas Entgeistertes, und Charles wollte sofort hinter Martha dreinrennen, doch er brach zusammen. Und dann hörten sie den Rest.
»He, da ist er! Fangt ihn! Fangt ihn doch!« schrie einer.
»Dort drüben!« brüllte Grinnel. »Weg abschneiden! Ah ... gute Arbeit!«
»Um Himmels willen, das ist ja ein Mädchen!«
»Diese verdammten Wichtigmacher! Kleine, woher kommst du?« fragte Grinnel.
»Das ist kein Kind von hier, Commander. Schauen Sie sie doch genauer an.«
»Hab' ich doch. Männer, ihr könnt ja gern euren Spaß mit ihr haben, aber haltet die Klappe darüber.«
»Brauchst keine Angst zu haben, Kleine ...«
Martha brach in ein schauerliches Heulen aus, so daß Lee Falcaro vor Zorn zitterte und Charles seine Fingernägel in die Handflächen grub.
»Au!« schrie ein Mann. »Das Biest hat mich gebissen! Da läuft sie! Fangt sie doch!«
Es fiel nur ein Schuß.
»Das wär's also, Männer«, sagte Grinnel nach einer Pause.
»Mußten Sie denn unbedingt schießen, Commander?« fragte einer von der Garde.
»Mein Lieber, da wende dich lieber an den, der sie losgelassen hat.«
»Sie hat mich gebissen ...«
»Wir müßten Sie von hier wegbringen«, schlug einer vor.
»Laßt sie bis zum Morgen liegen. Dann wird sie schon abgeholt. Und jetzt, Männer, zurück zur Wache. Und haltet den Mund darüber.« Das war Grinnel.
Sie stampften davon, und dann war lange, sehr lange Stille.
»Wir gehen zum Landesteg«, sagte Charles schließlich. Sie krochen unter der Veranda heraus und sahen das Bündel auf der Straße liegen ...
Unbehelligt kamen sie zum Ladesteg und fanden das Boot. Im Cockpit saß ein Matrose und schaute ihnen entgegen.
»Er ist ein Säufer«, sagte Charles. »Um diese Zeit ist er immer völlig weggetreten.« Charles schnitt mit dem Messer des Matrosen Seilstücke ab und fesselte den Mann damit. Als er auch noch geknebelt war, machte er einmal die Augen auf und schloß sie sofort wieder. Sie legten ihn auf den Landungssteg und kehrten auf das Boot zurück.
Charles erklärte ihr kurz, wie sie das Boot zu bedienen habe. Dann suchte er sich eine Pistole vom Kaliber .45 und eine Packung Munition, »Abrechnung mit Grinnel«, bemerkte er dazu. Eine weitere Waffe reichte er ihr.
»Sei kein Narr«, redete sie ihm zu. »Du kannst sie nicht wieder lebendig machen. Wir haben einen Job zu tun für das Syndikat.«
»Den kannst du erledigen«, antwortete er.
»Sie ist jetzt nicht mehr wichtiger als das Syndikat«, mahnte Lee Falcaro.
»Doch, das ist sie. Man kann nur Menschen gegenüber treu sein, und auch das Syndikat besteht aus Menschen. Die Kleine hatte keinen Menschen außer mir. Ihre eigene Schwester ... Ach, laß das, es ist zu schwer zu erklären. Ist es wichtig, ob ich je wieder Polo spiele? Aber es ist wichtig, daß ich Grinnel mit einer solchen Gemeinheit nicht durchkommen lasse. Er hätte diese Affen aufhalten können, aber er tat es nicht. Ich kann – vielleicht – Grinnel aufhalten. Ich muß das, meiner Selbstachtung wegen.«
»Moment noch, Charles. Ist diese Pistole geladen und kann ich mit ihr schießen?« fragte sie und reichte ihm die Pistole.
Er prüfte nach, ob sie richtig geladen war, legte dann den Sicherungshebel zurück und sagte: »Du brauchst nur zu zielen und abzudrücken.« Damit gab er ihr die Waffe zurück.
Lee richtete sie ein wenig zittrig auf seine Mitte. »Du kommst mit mir«, befahl sie. »Wenn du nicht vernünftig sein willst, schieße ich dir eine Kugel in den Fuß.« Mit der freien Hand griff sie nach dem Ruder und riß scharf daran.
»Lieber Himmel, du schickst uns ja zu den Fischen!« rief er, schob sie heftig vom Ruder weg, so daß sie taumelte und auf das Deck stürzte. Die Waffe entfiel ihr und hüpfte knatternd über das geriffelte Plastikdeck. Dann kreischte der Motor und weckte damit den ganzen Hafen auf. Links und rechts sprühten hohe Bogen weißer Gischt auf, als sie eine breite Gasse in das Sicherungsnetz des Hafens rissen.
Lee Falcaro kam langsam wieder auf die Füße. »Stolz bin ich nicht auf mich selbst«, sagte sie, »aber sie hat mir befohlen, auf dich aufzupassen.«
»Du gehst jetzt ans Ruder«, herrschte er sie an.
Sie tat es widerspruchslos. Die Hafenlichter wurden zu Lichtpunkten. Bald sah er sie gar nicht mehr, weil seine Augen feucht wurden. Er fühlte sich elend, weil er ausgerechnet dieses eine Mal versagt hatte.
16.
Der Kursschreiber zeigte eine schnurgerade Linie, als sich Charles
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