Schwarze Engel

Tür am Ende eines Gangs. Auf dem Weg den Gang hinunter sagte Edgar: »Mir wäre eigentlich nach einer Cola, aber nach dem, was ich gestern abend im Schrank dieser Schnalle gesehen habe, kann ich, glaube ich, keine Cola mehr trinken.«
    Der Mann, der in dem kleinen, fensterlosen Büro saß, hatte die Füße auf einer der offenen Schubladen des Schreibtischs. Er sah zu Bosch und Edgar auf. »Ja, Officers, was kann ich für Sie tun?«
    Bosch lächelte über die Schlußfolgerung des Mannes. Ihm war klar, er mußte halb Geschäftsmann, halb Bewährungshelfer sein. Die meisten der Wagenwäscher waren Ex-Knackis. Einen anderen Job bekamen sie nicht. Das hieß, der Geschäftsführer hatte schon einige Cops gesehen und wußte, woran man sie erkannte. Entweder das – oder er hatte sie in ihrem Slickback vorfahren sehen.
    »Wir arbeiten an einem Fall«, begann Bosch. »Dem Fall Howard Elias.«
    Der Geschäftsführer stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Vor ein paar Wochen hat er per Durchsuchungsbeschluß die Herausgabe einiger Ihrer Geschäftsunterlagen verlangt. Rechnungen, auf denen die Kfz-Kennzeichen vermerkt waren. Wissen Sie darüber etwas?«
    Der Geschäftsführer dachte eine Weile nach.
    »Ich weiß nur, daß ich derjenige war, der den ganzen Kram durchsehen und für seinen Typen kopieren mußte.«
    »Für seinen Typen?« hakte Edgar nach.
    »Was haben Sie denn gedacht? Daß jemand wie Elias den ganzen Krempel selbst abholen kommt? Er hat jemanden vorbeigeschickt. Hier ist seine Visitenkarte.«
    Er setzte die Füße auf den Boden, öffnete die Bleistiftschublade des Schreibtischs und nahm einen Packen Visitenkarten heraus. Er entfernte den Gummi, mit dem sie zusammengehalten waren, sah die Karten durch, nahm eine und zeigte sie Bosch.
    »Pelfry?« fragte Edgar.
    Bosch nickte.
    »Hat dieser Typ gesagt, wonach genau sie gesucht haben?« fragte er.
    »Nein. Da müssen Sie die beiden schon selber fragen. Das heißt, Pelfry.«
    »Hat Pelfry die Unterlagen schon wieder zurückgebracht?«
    »Nein, aber es waren sowieso Kopien. Das heißt, er ist zwar noch mal hier gewesen, aber die Rechnungen hat er nicht zurückgebracht.«
    »Und warum ist er noch mal hergekommen?« fragte Edgar.
    »Er wollte eine von Michael Harris’ Stechkarten sehen. Aus der Zeit, als er noch hier arbeitete.«
    »Welche?« wollte Edgar sofort wissen.
    »Keine Ahnung. Ich habe sie ihm kopiert. Da müssen Sie schon mit ihm selbst reden. Vielleicht –«
    »Hatte er einen Durchsuchungsbeschluß für die Stechkarte?« fragte Bosch.
    »Nein, er hat nur danach gefragt. Ich sagte, klar, und suchte sie ihm raus. Allerdings wußte er das Datum und Sie nicht. Ich kann mich nicht mehr erinnern. Außerdem, wissen Sie, wenn Sie mehr über die Sache wissen wollen, sollten Sie vielleicht besser unseren Anwalt anrufen. Ich möchte mich da lieber auf nichts einlassen: über Dinge reden, über die ich eigentlich gar nicht –«
    »Das ist sowieso nicht so wichtig«, sagte Bosch. »Erzählen Sie mir ein wenig über Michael Harris.«
    »Was soll es da schon viel zu erzählen geben. Ich hatte nie Probleme mit ihm. Er war okay, und dann hieß es plötzlich, er hätte die Kleine umgebracht. Und alles mögliche mit ihr angestellt. So, wie ich ihn einschätzte, hätte ich ihm das eigentlich nicht zugetraut. Aber er hatte auch noch nicht besonders lang hier gearbeitet. Vielleicht fünf Monate.«
    »Wissen Sie, wo er vorher war?« fragte Edgar.
    »Ja. Oben in Corcoran.«
    Corcoran war ein Staatsgefängnis in der Nähe von Bakersfield. Bosch bedankte sich bei dem Mann, und sie gingen. Er nahm ein paar Schlucke von seinem Kaffee, warf ihn aber in eine Abfalltonne, bevor sie ihren Wagen erreichten.
    Während Bosch auf der Beifahrerseite wartete, daß Edgar den Wagen aufschloß, ging Edgar auf die andere Seite. Er hielt inne, bevor er die Tür aufmachte.
    »Verdammte Scheiße.«
    »Was ist?«
    »Sie haben was auf die Tür geschrieben.«
    Bosch ging um den Wagen herum. Mit hellblauer Kreide – mit der Kreide, mit der die Waschanweisungen auf die Windschutzscheiben der Autos geschrieben wurden – hatte jemand auf dem vorderen linken Kotflügel die Wörter »schützen« und »dienen« durchgestrichen und dann in großen Lettern »morden« und »verstümmeln« darübergeschrieben. Bosch nickte anerkennend.
    »Richtig originell.«
    »Harry, die sollen uns mal kennenlernen!«
    »Nein, Jerry, laß gut sein. Du möchtest doch keinen Flächenbrand auslösen? Könnte drei Tage dauern, ihn zu