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Schwarze Engel

Schwarze Engel

Titel: Schwarze Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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In einer Viertelstunde bin ich zu Hause. Wir können über alles reden, wir –«
    »Nein, nicht. Deshalb rufe ich doch an. Wenn du hier bist, schaffe ich es nicht.«
    Er merkte, daß sie weinte.
    »Trotzdem, ich komme sofort vorbei.«
    »Ich werde nicht mehr dasein«, sagte sie mit Nachdruck. »Ich habe schon alles im Auto. Ich wußte, du würdest vorbeikommen.«
    Bosch legte sich die Hand über die Augen. Er wollte im Dunkeln sein.
    »Wo willst du hin?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Rufst du an?«
    »Ja, ich rufe dich an.«
    »Ist bei dir auch wirklich alles in Ordnung?«
    »Ich … ich werde schon klarkommen.«
    »Eleanor, ich liebe dich. Ich weiß, ich habe es dir nie genug gesagt, aber ich –«
    Sie brachte ihn mit einem leisen Schschsch zum Verstummen.
    »Ich liebe dich, Harry, aber ich kann nicht anders.«
    Etwas versetzte ihm einen heftigen Stich, und schließlich sagte er: »Okay, Eleanor.«
    Die Stille, die folgte, war so dunkel wie das Innere eines Sargs. Seines Sargs.
    »Wiedersehen, Harry«, sagte sie schließlich. »Bis demnächst.«
    Sie hängte auf. Bosch nahm die Hand von seinem Gesicht und das Telefon von seinem Ohr. In Gedanken sah er einen Swimmingpool, dessen Oberfläche so glatt war wie das Laken auf einem Bett. Er erinnerte sich an einen lang zurückliegenden Moment, als er mitgeteilt bekommen hatte, daß seine Mutter tot und er allein auf der Welt war. Er rannte zu diesem Pool und hechtete durch seine ruhige Oberfläche, in sein warmes Wasser. Auf dem Grund schrie er, bis seine ganze Luft aufgebraucht war und seine Brust schmerzte. Bis er sich entscheiden mußte, ob er dort unten bleiben und sterben wollte oder auftauchen und leben.
    Jetzt sehnte sich Bosch nach diesem Pool und seinem warmen Wasser. Er wollte schreien, bis die Lungen in seinem Innern platzten.
    »Alles okay?«
    Er sah auf. Es waren Rider und Edgar. Edgar hatte einen Becher mit dampfendem Kaffee in der Hand. Riders Blick verriet, daß ihr das, was sie in Boschs Miene sah, Sorgen, wenn nicht sogar angst machte.
    »Alles klar«, sagte Bosch. »Alles paletti.«

23
    B is zu ihrem Termin bei Pelfry hatten sie noch neunzig Minuten totzuschlagen. Bosch wies Edgar an, zu Hollywood Wax & Shine hinüberzufahren, das nicht weit von der Polizeistation am Sunset Boulevard lag. Als Edgar am Straßenrand hielt, blieben sie zunächst im Wagen sitzen. In der Waschanlage herrschte nicht viel Betrieb. Die meisten der Männer in orangefarbenen Overalls, die für ein Minimum an Lohn und Trinkgeld die Autos trockneten und polierten, saßen, ihre Lappen über die Schulter geworfen, herum und warteten. Fast alle von ihnen starrten finster auf den Slickback, als trüge die Polizei die Schuld.
    »Wer läßt sich schon sein Auto waschen«, sagte Edgar, »wenn es hinterher sowieso nur umgestürzt oder angezündet wird?«
    Bosch antwortete nicht.
    »Wetten, daß die jetzt alle gern an Michael Harris’ Stelle wären«, fuhr Edgar fort, ohne den Blicken der Arbeiter auszuweichen. »Ehrlich gesagt, ich würde mich auch drei Tage in die Mangel nehmen und mir einen Bleistift ins Ohr stecken lassen, wenn ich hinterher Millionär wäre.«
    »Dann glaubst du ihm also«, sagte Bosch.
    Bosch hatte ihm nichts von Frankie Sheehans Kneipengeständnis erzählt. Einen Moment schwieg Edgar, dann nickte er.
    »Ja, Harry, ich glaube schon.«
    Bosch fragte sich, wie er so blind hatte sein können, nicht einmal die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, ein Verdächtiger könnte gefoltert worden sein. Er fragte sich, woran es lag, daß Edgar der Darstellung des Verdächtigen mehr Glauben schenkte als der Darstellung der Cops. Lag es an seinen Erfahrungen als Cop oder als Schwarzer? Bosch nahm an, es mußte letzteres sein, und es deprimierte ihn, weil es Edgar zu einem gewissen Vorteil verhalf, den er nie haben könnte.
    »Ich gehe mal rein, mit dem Geschäftsführer reden«, sagte Bosch. »Du solltest vielleicht lieber beim Wagen bleiben.«
    »Quatsch. Die rühren ihn schon nicht an.«
    Sie stiegen aus und schlossen den Wagen ab.
    Als sie auf den Laden zugingen, überlegte Bosch, ob die orangefarbenen Overalls Zufall waren. Er nahm an, die meisten Männer, die in der Waschanlage arbeiteten, waren ehemalige Häftlinge oder gerade aus einem County-Gefängnis entlassen – Einrichtungen, in denen sie ebenfalls orangefarbene Overalls tragen mußten.
    Im Laden kaufte sich Bosch einen Becher Kaffee und fragte nach dem Geschäftsführer. Der Kassierer deutete auf eine offene

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