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Schwarze Engel

Schwarze Engel

Titel: Schwarze Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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wäre?«
    »Wenn Sie mich einmal belügen und ich es herausbekomme, gilt unsere Abmachung nicht mehr.«
    »Das soll mir nur recht sein. Aber jetzt können wir noch nicht reden. Ich möchte erst mit der Durchsicht der Unterlagen fertig werden, damit Sie und Ihre Leute allen Anhaltspunkten nachgehen können. Jedenfalls wissen Sie jetzt, warum ich diesen Fall nicht nur im Interesse der Stadt gelöst haben möchte, sondern auch in meinem eigenen. Was würden Sie sagen, wenn wir uns später treffen? Wenn ich mit den Akten fertig bin?«
    »In Ordnung.«
     
    Als Bosch fünfzehn Minuten später den Broadway überquerte, sah er, daß die Garagentore des Grand Central Market hochgerollt waren. Es war Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte her, daß er dort gewesen war. Er beschloß, durch die Markthalle zur Hill Street und zur Angels-Flight-Talstation zu gehen.
    Der Grand Central Market war ein riesiges Konglomerat von Imbißbuden, Lebensmittelständen und Metzgereien. Fliegende Händler verkauften billigen Schmuck und Süßigkeiten aus Mexiko. Und obwohl die Tore gerade erst geöffnet worden waren und in der Markthalle mehr Verkäufer waren, die sich auf den Tag vorbereiteten, als Kunden, hing bereits der intensive Geruch von Öl und fritiertem Essen in der Luft. Auf dem Weg durch den Markt schnappte Bosch immer wieder Gesprächsfetzen in stakkatoartigem Spanisch auf. Er sah einen Metzger, der in seiner Kühlvitrine neben ordentlichen Reihen gespaltener Ochsenschwänze sorgfältig gehäutete Ziegenköpfe auslegte. Im hinteren Ende saßen alte Männer an Picknicktischen, nippten an Tassen mit kräftigem, dunklem Kaffee und aßen mexikanisches Gebäck. Bosch erinnerte sich an sein Versprechen, Doughnuts mitzubringen, bevor sie die angrenzenden Wohnhäuser nach Zeugen abklapperten. Als er nirgendwo einen Doughnut-Stand entdeckte, kaufte er eine Tüte churros, knusprig gebackene Teigstangen mit Zimtzucker, sozusagen die mexikanische Variante.
    Als er in der Hill Street aus dem Markt kam, sah er an der Stelle, wo Baker und Chastain vor ein paar Stunden die Kippen gefunden hatten, einen Mann stehen. Der Mann trug ein Haarnetz und hatte eine blutbefleckte Schürze umgebunden. Er fuhr mit der Hand unter die Schürze und zog ein Päckchen Zigaretten darunter hervor.
    »Damit hatte ich recht«, sagte Bosch laut.
    Er ging über die Straße und auf den Eingangsbogen von Angels Flight zu und wartete hinter zwei asiatischen Touristen. Die zwei Standseilbahnwagen fuhren gerade auf halber Strecke aneinander vorbei. Er sah nach den Namen, die über den Türen der beiden Wagen standen. Sinai fuhr rauf, Olivet kam runter.
    Eine Minute später stieg Bosch hinter den Touristen in Olivet. Er beobachtete, wie sie sich ahnungslos auf die Bank setzten, auf der vor etwa zehn Stunden Catalina Perez gestorben war. Das Blut war weggeputzt worden, und das Holz war zu alt und zu dunkel, als daß ein Fleck darauf zu erkennen gewesen wäre. Bosch hielt es nicht für nötig, sie über die jüngste Geschichte ihres Sitzplatzes aufzuklären. Außerdem bezweifelte er, daß sie seine Sprache verstünden.
    Er nahm da Platz, wo er zuvor gesessen hatte. Sobald das Gewicht von seinen Füßen genommen war, gähnte er wieder. Mit einem Ruck setzte sich der Wagen in Bewegung. Die Asiaten begannen Fotos zu machen. Schließlich gaben sie Bosch per Zeichensprache zu verstehen, er solle eine ihrer Kameras nehmen und ein Foto von ihnen machen. Er kam ihrem Wunsch nach und leistete seinen Beitrag zur Tourismusindustrie. Sie nahmen die Kamera rasch wieder an sich und zogen sich ans andere Ende des Wagens zurück.
    Er fragte sich, ob sie irgend etwas an ihm gespürt hatten. Eine Gefahr oder vielleicht eine Krankheit in ihm. Er wußte, daß manche Leute diese Fähigkeit besaßen und solche Dinge merkten. Bei ihm wäre das nicht schwer. Er hatte vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen. Als er sich mit der Hand übers Gesicht strich, fühlte es sich an wie feuchter Putz. Die Ellbogen auf den Knien aufgestützt, beugte er sich vor und spürte wieder einmal den alten Schmerz, von dem er gehofft hatte, er würde sich nie mehr in seinem Leben bemerkbar machen. Es war lange her, daß er sich so allein und in seiner eigenen Stadt so sehr wie ein Außenseiter gefühlt hatte. Seine Kehle und seine Brust waren wie zugeschnürt, ein beklemmendes Gefühl, das sich selbst an der frischen Luft wie ein Leichentuch um ihn legte.
    Noch einmal holte er das Telefon heraus. Er sah auf die

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