Schwarze Engel
der Obdachlosen, die die Downtown bevölkerten, könnte ihm zuvorgekommen sein und die Uhr und die Brieftasche gefunden haben.
Fast ganz unten, als er schon aufgeben und sein Glück in einem der anderen Abfallbehälter der Station versuchen wollte, entdeckte er einen mit Ketchup verschmierten Umschlag, den er mit spitzen Fingern herausfischte. Er öffnete ihn so, daß sich der größte Teil des Ketchups auf dem abgerissenen Teil befand, und erblickte darin eine braune Lederbrieftasche und eine goldene Cartier-Uhr.
Auf dem Weg an die Oberfläche benutzte Bosch wieder die Rolltreppe, aber diesmal blieb er während der Fahrt stehen, um in den Umschlag zu sehen. Das Uhrarmband war aus Gold oder vergoldet und bestand aus mehreren elastischen Gliedern, damit es sich über die Hand streifen ließ. Um die Uhr bewegen zu können, ohne sie anfassen zu müssen, schüttelte er den Umschlag ein wenig. Er hielt nach irgendwelchen Hautpartikeln Ausschau, die vielleicht am Armband hängengeblieben waren. Er sah nichts.
Sobald er wieder im Auto saß, zog er Handschuhe an, nahm Uhr und Brieftasche aus dem aufgerissenen Umschlag und warf den Umschlag über den Sitz auf den Boden des Fonds. Dann klappte er die Brieftasche auf und ging die einzelnen Fächer durch. Neben Ausweisen und Versicherungskarten hatte Elias sechs Kreditkarten einstecken gehabt, außerdem kleine gestellte Studioaufnahmen von seiner Frau und seinem Sohn. Im Geldscheinfach waren drei Kreditkartenbelege und ein unausgefüllter Scheck. Bargeld enthielt es keines.
Boschs Aktenkoffer lag auf dem Sitz neben ihm. Er öffnete ihn und nahm das Klemmbrett heraus, dann blätterte er in den daran befestigten Zetteln, bis er die Liste mit dem Eigentum des Opfers fand. Darin war alles aufgeführt, was jedem Opfer abgenommen worden war. In Elias’ Taschen hatte sich zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ein Gerichtsmediziner durchsucht hatte, nur ein Vierteldollar befunden.
»Ihr Scheißkerle«, sagte Bosch laut, als er merkte, daß derjenige, der die Brieftasche genommen hatte, das ganze Bargeld eingesteckt hatte. Es war unwahrscheinlich, daß Elias nur mit dem Quarter, den die Fahrt in Angels Flight kostete, nach Hause gegangen war.
Wieder einmal fragte er sich, warum er für Leute, die es nicht verdienten, den Kopf hinhielt. Er wußte, daß es zu spät war, etwas daran zu ändern, und versuchte nicht mehr daran zu denken, was ihm aber nicht gelang. Jetzt steckte er mit ihnen unter einer Decke. Angewidert über sich selbst, schüttelte er den Kopf. Dann gab er Uhr und Brieftasche in zwei Beweismitteltüten aus Plastik, die er mit jeweils einem weißen Etikett versehen hatte, auf dem Fallnummer, Datum und Uhrzeit – 6 Uhr 45 – vermerkt waren. Dem fügte er eine kurze Beschreibung jedes Gegenstands hinzu sowie einen Vermerk über die Schublade von Elias’ Schreibtisch, in der er gefunden worden war. Zum Schluß kennzeichnete er jedes Etikett in einer Ecke mit seinen Initialen und legte die Tüten in seinen Aktenkoffer.
Bevor er den Wagen startete, sah Bosch auf die Uhr. Bis die Pressekonferenz anfing, hatte er noch zehn Minuten. Kein Grund zur Hektik.
An der Pressekonferenz nahmen so viele Journalisten teil, daß einige, die keinen Platz mehr gefunden hatten, vor der Tür des Presseraums standen. Bosch schob und zwängte sich unter vielen Entschuldigungen durch die Menge. Die gesamte Rückwand des Raums war von Fernsehkameras auf Stativen gesäumt, hinter denen Kameramänner standen. Bosch zählte zwölf Kameras. Das hieß, daß in Kürze bundesweit über den Fall berichtet würde. Einschließlich des spanischsprachigen Kanals gab es in Los Angeles acht Sender, die Lokalnachrichten brachten. Jeder Cop wußte, mehr als acht Kamerateams an einem Tatort oder bei einer Pressekonferenz bedeuteten, daß sich auch die großen Sendeanstalten eingeschaltet hatten. Man arbeitete an etwas Wichtigem, etwas Brisantem.
In der Mitte des Raums war jeder Klappstuhl von einem Journalisten besetzt. Es waren fast vierzig, wobei die Fernsehleute an ihren eleganten Anzügen und am Make-up zu erkennen waren, die Reporter von Presse und Rundfunk an ihren Jeans und den lose herabhängenden Krawatten.
Bosch blickte zum Rednerpult, an dem das Dienstabzeichen des Polizeipräsidenten angebracht war. Auf dem Podium herrschte hektisches Getriebe. Tontechniker befestigten ihre Ausrüstung an dem immer größer werdenden Wald aus Mikrophonen. Einer stand direkt hinter dem Rednerpult und sprach für
Weitere Kostenlose Bücher