Schwarze Engel
und der Polizeipräsident trat ans Rednerpult. Er war eine beeindruckende Erscheinung. Groß, schwarz und gutaussehend, war er bereits dreißig Jahre im Polizeidienst und sehr geschickt im Umgang mit den Medien. Das Amt des Polizeipräsidenten bekleidete er jedoch erst seit kurzem. Er war letzten Sommer ernannt worden, als sein Vorgänger, ein übergewichtiger Outsider mit keinerlei Verständnis für die Polizei und wenig Verständnis für die Black Community, zugunsten eines Insiders abgelöst wurde, der spektakulär genug aussah, um sich in einem Hollywoodfilm selbst spielen zu können. Einen Augenblick sah der Polizeipräsident stumm auf die Gesichter im Saal hinaus. Wenn Bosch die Stimmung richtig deutete, würde dieser Fall und wie er ihn anpackte für den Chief die erste echte Feuerprobe im Amt werden. Er war sicher, daß sich dessen auch der Chief bewußt war.
»Guten Morgen«, begann der Polizeipräsident schließlich. »Ich habe Ihnen heute eine bedauerliche Mitteilung zu machen. Hier in der Downtown wurde gestern nacht das Leben zweier Bürger ausgelöscht. Catalina Perez und Howard Elias benutzten unabhängig voneinander die Standseilbahn Angels Flight, als sie beide kurz vor dreiundzwanzig Uhr erschossen wurden. Den meisten Bewohnern dieser Stadt ist Howard Elias kein Unbekannter. Ob sie ihn nun schätzten oder nicht – jedenfalls war er ein Mann, der aus dem Leben unserer Stadt nicht wegzudenken war und ihr Bild mit zu prägen geholfen hat. Dagegen war Catalina Perez, wie viele von uns, weder bekannt noch prominent. Sie verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit harter Arbeit, um sich und ihrer Familie – einem Ehemann und zwei kleinen Kindern – ein Leben in bescheidenem Wohlstand ermöglichen zu können. Sie war Haushälterin. Sie arbeitete bis spät in die Nacht hinein. Sie wollte zu ihrer Familie nach Hause fahren, als sie ermordet wurde. Ich bin heute morgen nur hier, um den Bürgern von Los Angeles zu versichern, daß diese Morde nicht nachlässig bearbeitet oder gar unter den Tisch gekehrt werden. Sie können sich darauf verlassen, daß wir nicht ruhen werden, bis diese Verbrechen aufgeklärt sind und Catalina Perez und Howard Elias Gerechtigkeit widerfahren ist.«
Bosch mußte der Taktik des Polizeipräsidenten seine Bewunderung zollen. Indem er die zwei Opfer als eine Einheit behandelte, lenkte er von dem Umstand ab, daß der Anschlag nur Elias gegolten hatte und Catalina Perez aus schierem Pech in die Schußlinie geraten war. Er verstand es sehr geschickt, sie als gleichwertige Opfer der sinnlosen und oft vollkommen willkürlichen Gewalt hinzustellen, die Los Angeles wie ein Krebsgeschwür befallen hatte.
»Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens nicht zu sehr ins Detail gehen. Aber zumindest soviel kann ich Ihnen bereits sagen: Wir gehen verschiedenen Spuren nach, und es besteht berechtigter Anlaß zu der Hoffnung, daß der Mörder oder die Mörder gefunden und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Bis dahin bitten wir die Bürger von Los Angeles, Ruhe zu bewahren und uns unsere Arbeit tun zu lassen. Wir müssen uns gegenwärtig vor allem davor hüten, voreilige Schlüsse zu ziehen. Wir möchten nicht, daß irgend jemand zu Schaden kommt. Die Polizei wird Sie entweder durch mich oder Deputy Chief Irving oder die Pressestelle regelmäßig über den Fortgang des Ermittlungsverfahrens auf dem laufenden halten. Informationen werden Ihnen umgehend verfügbar gemacht, sobald dies sich nicht mehr nachteilig auf die Ermittlungen oder die strafrechtliche Verfolgung der Verdächtigen auswirken kann.«
Der Polizeipräsident trat einen halben Schritt vom Rednerpult zurück und sah zum Zeichen, daß er fertig war, O’Rourke an. Der Pressesprecher wollte auf das Pult zugehen, aber bevor er auch nur einen Fuß heben konnte, ertönte aus dem Saal ein lauter Chor »Chief!« rufender Journalisten. Übertönt wurde das Geschrei von der sonoren Stimme eines Reporters, die für Bosch und jeden, der einen Fernseher hatte, sofort als die von Harvey Button von Channel 4 zu erkennen war.
»Wurde Howard Elias von einem Cop umgebracht?«
Die Frage zog ein kurzes Verstummen der Rufe nach sich, dann setzte der Chor wieder ein. Der Polizeipräsident trat wieder ans Rednerpult und hob die Hände, als versuchte er eine Hundemeute zu beruhigen.
»Also schön, immer mit der Ruhe! Bitte nicht alle gleichzeitig. Einer nach dem –«
»War es ein Polizist, Chief? Können
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