Schwarze Engel
erkannte.«
»Was hatte dann dieses Bild in seinem Schreibtisch zu suchen?«
»Wie gesagt, ich weiß es nicht. Es muß Teil eines Falls gewesen sein, aber ich weiß nicht, von welchem. Ich habe heute jede Akte in diesem Büro durchgesehen, und ich habe nichts gefunden, was damit in Zusammenhang stehen könnte.«
Bosch nickte nur. Seine Gedanken kreisten schon nicht mehr um das Bild, sondern um die geheimnisvollen Briefe, insbesondere den letzten. In seinen Augen handelte es sich dabei um eine Warnung an Elias. Jemand hatte herausgefunden, daß sich der Anwalt im Besitz brisanter Informationen befand. Bosch gelangte zusehends mehr zu der Überzeugung, daß die Ermittlungen, die richtigen Ermittlungen, auf dieser Nachricht aufbauen sollten.
»Stört es Sie, wenn ich den Fernseher anmache?« fragte Entrenkin. »Es ist sechs Uhr. Ich würde gern die Nachrichten sehen.«
Bosch riß sich von seinen Überlegungen los.
»Natürlich nicht. Machen Sie ihn ruhig an.«
Sie ging zu einem großen Eichenschrank, der an der Wand gegenüber dem Schreibtisch stand, und öffnete ihn. Er enthielt zwei Fernseher. Offensichtlich hatte Elias gern mehr als ein Programm gleichzeitig gesehen. Wahrscheinlich, vermutete Bosch, um keinen seiner zahlreichen Fernsehauftritte zu versäumen.
Entrenkin schaltete beide Geräte ein. Als auf dem oberen das Bild scharf wurde, sah Bosch einen Reporter vor einem Einkaufszentrum stehen, in dem drei oder vier Geschäfte in Flammen standen. Ein paar Meter hinter dem Reporter bemühten sich Feuerwehrmänner, den Brand unter Kontrolle zu bekommen, aber Bosch hatte den Eindruck, als käme für die Läden jede Hilfe zu spät. Sie waren schon ausgebrannt.
»Es geht bereits los«, sagte er.
»Nicht schon wieder«, sagte Entrenkin mit bestürzter Stimme.
18
A uf der Fahrt nach Hollywood stellte Bosch das Autoradio an. Die Meldungen in KFWB waren gemäßigter als die Sechs-Uhr-Nachrichten im Fernsehen. Das lag aber nur daran, daß sie im Radio nur Worte brachten, keine Bilder.
Im wesentlichen besagte die Meldung, daß in einem Einkaufszentrum am Normandie Boulevard ein Feuer ausgebrochen war, nur wenige Blocks von der Kreuzung mit der Florence entfernt, die eines der Zentren der Krawalle von 1992 gewesen war. Im Moment war es das einzige Feuer in South L. A., und es gab noch keinerlei Hinweise darauf, daß es sich um eine Brandstiftung handelte, die Ausdruck des Protests oder der Wut über Howard Elias’ Ermordung war. Trotzdem hatte jeder Nachrichtensender, den Bosch und Entrenkin in der Kanzlei eingeschaltet hatten, aus dem Einkaufszentrum berichtet. Auf den Bildschirmen loderten die Flammen, und die dahinterstehende Botschaft war unmißverständlich: Los Angeles brennt wieder einmal.
»Dieses Scheißfernsehen«, schimpfte Bosch. »Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise.«
»Was soll mit dem Fernsehen sein?«
Es war Carla Entrenkin. Sie hatte ihn überredet, sie zu Harris’ Vernehmung mitzunehmen. Bosch hatte nicht sonderlich viel Widerstand geleistet. Ihm war klar, daß sie, falls Harris wußte, wer sie war, unter Umständen zur Entspannung der Situation beitragen konnte. Ihm war auch klar, wie wichtig es war, daß Harris sich bereit erklärte, mit ihnen zu sprechen. Möglicherweise war er der einzige, dem Howard Elias anvertraut hatte, wer Stacey Kincaids Mörder war.
»Wie sie die Sache wieder mal hochspielen«, sagte Bosch. »Kaum brennt es irgendwo, kommen alle an und zeigen das Feuer. Wissen Sie, was das für eine Wirkung hat? Es ist, als würden sie Benzin auf die Flammen gießen. Jetzt werden sie sich ausbreiten. Die Leute sehen es in ihren Wohnzimmern und gehen auf die Straße, um nachzusehen, was los ist. Sie bilden Gruppen, sie fangen an zu reden, und plötzlich haben die Leute ihren Ärger nicht mehr unter Kontrolle. Eins führt zum andern, und schon haben wir unsere medienproduzierten Krawalle.«
»Da traue ich den Leuten schon ein bißchen mehr zu«, entgegnete Entrenkin. »Sie wissen, daß sie dem Fernsehen nicht trauen dürfen. Zu Unruhen kommt es nur, wenn das Gefühl der Machtlosigkeit einen kritischen Punkt überschreitet. Das hat nichts mit dem Fernsehen zu tun. Es hat damit zu tun, daß die Gesellschaft nicht auf die Grundbedürfnisse ins Abseits geratener Menschen eingeht.«
Bosch entging nicht, daß sie von Unruhen anstatt von Krawallen sprach. Er fragte sich, ob es nicht mehr politisch korrekt war, Krawalle als Krawalle zu bezeichnen.
»Es hat etwas mit Hoffnung zu
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