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Schwarze Engel

Schwarze Engel

Titel: Schwarze Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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angebrochen.«
    »Also, wenn Sie nicht ein belesener Polizist sind, Detective Bosch.«
    »Nicht wirklich. Ich habe mal mit einer Frau zusammengelebt, die an der Grant High im Valley Literatur unterrichtete. Es war eins der Bücher, das sie im Unterricht durchnahm. Ich habe es damals gelesen. Jedenfalls, das Bild von zweiundneunzig, das bei mir hängengeblieben ist, ist Frederick’s of Hollywood.«
    »Dieses Reizwäsche-Kaufhaus?«
    Bosch nickte.
    »Es wimmelte von Menschen, als ich hinkam. Menschen aller Rassen und Altersstufen. Sie waren vollkommen außer Rand und Band. In fünfzehn Minuten hatten sie den Laden komplett ausgeräumt. Und damit meine ich wirklich komplett. Ich ging hinterher rein, und es war nichts mehr da. Sogar die Schaufensterpuppen hatten sie gestohlen. Es war absolut alles weg, bis auf die Kleiderbügel, die auf dem Boden rumlagen, und die Kleidergestelle … und das Verrückte daran ist, es gab dort nichts als Unterwäsche. Vier Cops werden nicht verurteilt, obwohl ein Video existiert, auf dem zu sehen ist, wie sie Rodney King zusammenschlagen. Und was machen die Leute? Sie drehen durch und klauen Unterwäsche. Es war so absurd, daß mir immer dieses Bild in den Sinn kommt, wenn jemand auf die Krawalle zu sprechen kommt. Dann muß ich immer an dieses geplünderte Kaufhaus denken.«
    »Was sich die Leute genommen haben, ist doch völlig egal. Sie haben nur ihrer Frustration Luft gemacht. Es ist wie mit den Thigh-Masters. Für diesen Vater und seinen Sohn war völlig unwichtig, was sie mitgenommen haben. Wichtig war nur, daß sie etwas mitgenommen haben, daß sie ihrer Wut Ausdruck verliehen haben. Sie hatten keine Verwendung für diese Dinge, aber sie mitzunehmen war eine Möglichkeit, es den Mächtigen zu zeigen. Das ist, was der Vater seinem Sohn vermitteln wollte.«
    »Trotzdem halte ich das Ganze für Schwach –«
    Boschs Handy läutete, und er klappte es auf. Es war Eleanor.
    »Gewinnst du?« fragte er.
    Er sagte es mit einem gutgelaunten Unterton und merkte sofort, er hatte es deshalb so gesagt, damit seine Begleiterin keine Rückschlüsse zu ziehen begänne, wie es um seine Ehe tatsächlich bestellt war. Er bekam sofort ein schlechtes Gewissen, daß er auch nur ansatzweise zuließ, daß das, was Entrenkin dachte, sich in irgendeiner Weise auf seine Beziehung zu Eleanor auswirkte.
    »Noch nicht. Ich bin gerade angekommen.«
    »Eleanor, ich möchte, daß du nach Hause fährst.«
    »Harry, darüber möchte ich jetzt nicht sprechen. Ich –«
    »Nein, es ist nicht aus dem Grund, aus dem du denkst. Ich glaube, in der Stadt … Hast du die Nachrichten gesehen?«
    »Nein. Ich bin hierhergefahren.«
    »Also, es sieht nicht gut aus. Die Medien zünden das Streichholz an, Eleanor. Und falls etwas passiert und die Leute durchdrehen, bist du gerade nicht am richtigen Ort.«
    Bosch warf einen kurzen Blick zu Entrenkin hinüber. Er wußte, er reagierte in ihrer Gegenwart mit weißer Paranoia. Das Hollywood Park war in Inglewood, einer vorwiegend schwarzen Gegend. Er wollte, daß Eleanor zu ihrem Haus in den Hügeln zurückfuhr, wo sie nichts zu befürchten hatte.
    »Harry, ich glaube, du bist paranoid. Mir passiert schon nichts.«
    »Eleanor, warum ein unnötiges –«
    »Harry, ich muß jetzt Schluß machen. Sie halten mir meinen Stuhl frei. Ich rufe dich später an.«
    Sie legte auf, und Bosch verabschiedete sich von einem stummen Hörer. Er ließ das Telefon in seinen Schoß fallen.
    »Auch wenn Sie es vermutlich nicht hören wollen«, sagte Entrenkin, »aber ich glaube, Sie sind paranoid.«
    »Das fand sie auch.«
    »Glauben Sie mir, im Moment gibt es genauso viele, wenn nicht sogar mehr Schwarze als Weiße, die nicht wollen, daß so etwas noch einmal passiert. Halten Sie ihnen das im Zweifelsfall mal zugute, Detective.«
    »Ich schätze, mir bleibt gar nichts anderes übrig.«
     
    Die Hollywood Station schien verlassen, als Bosch und Entrenkin dort eintrafen. Auf dem Parkplatz dahinter waren keine Streifenwagen, und als sie die Polizeistation durch den Hintereingang betraten, war der Flur, in dem sonst immer hektisches Getriebe herrschte, leer. Bosch steckte den Kopf durch die offene Tür des Einsatzbüros und sah einen einsamen Sergeant an einem Schreibtisch sitzen. Ein an der Wand befestigter Fernseher lief. Auf dem Bildschirm waren keine Flammen zu sehen, sondern ein Nachrichtensprecher im Studio. Über seiner Schulter war ein Foto von Howard Elias eingeblendet. Das Gerät war so leise

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