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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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gemeint war.
    Zur Einfahrt hin ragte das Dach ein Stück weit über die Wand des Hauses und war mit vier Pfosten abgestützt. Hier konnte der Wachmann sich bei schlechtem Wetter aufhalten, um mit den ankommenden Gästen zu sprechen. Nun stand im Schatten des Dachs ein Kapitänsstuhl mit gepolstertem Sitz, und darauf saß Henry Lolam.
    Er war um die dreißig und hatte ein jungenhaftes Aussehen, das ihn bei oberflächlicher Betrachtung unreif erscheinen ließ. Sein Gesicht hatte keinerlei Fältchen, der Mund war so unschuldig wie der eines Kindes, das noch keinen einzigen Fluch ausgesprochen hat, und die Wangen waren rosa wie gewisse Pfirsiche. Alles in allem vermittelte er den Eindruck, dass er noch nie etwas Schweres erlebt hatte und durch die Welt gesegelt war wie ein Pusteblumenschirmchen im warmen Wind.
    Nur die grünen Augen passten nicht zu dem kindlichen Gesicht. Sie waren voller Verlust und Qual und manchmal auch voll Verwirrung.
    Ich hatte Henry bisher zweimal aufgesucht, und jedes Mal hatte er Gedichte gelesen. Auf dem Tischchen neben seinem Sessel waren Bände von Lyrikern wie Ralph Waldo Emerson, Walt Whitman und Wallace Stevens aufgestapelt, eine nicht gerade ungefährliche Kost.
    Ihr werdet euch vielleicht wundern, dass ein Wachmann – ein »Security«, wie man heute gern sagt – sich mit Lyrik beschäftigt. Schließlich ist die Einzigartigkeit jeder Persönlichkeit, um die es in Gedichten geht, kein Thema, für das sich unsere von Gruppenidentitäten besessene Kultur interessieren würde. Aber Henry war er selbst und niemand anders, und nach der Intensität zu urteilen, mit der er sich in seine Bücher versenkte, suchte er darin etwas Tiefgründiges.
    Da er auch jetzt ganz mit seiner Lektüre beschäftigt war, lehnte ich mich an einen Pfosten und wartete. Er war nicht unhöflich, nur halt in seine Gedanken versunken.
    Ich war hierher gekommen, um ihn über Kenny Randolph Fitzgerald Mountbatten auszufragen. Der hatte ja behauptet, zur Wachmannschaft zu gehören, obwohl er nicht deren übliche Uniform trug – graue Hose, weißes Hemd, blauer Blazer – und in so vieler Hinsicht wesentlich auffälliger war als Henry und dessen Kollegen.
    Während ich dastand, beobachtete ich einen Raubvogel, den ich aufgrund seiner gewaltigen Spannweite und der einheitlich gemusterten Flügelunterseiten als Wanderfalken identifizierte. Ich wusste, dass solche Falken meist keine Nagetiere, sondern kleinere Vögel jagten, auf die sie spektakulär herabstießen, um sie mitten in der Luft zu ergreifen.
    Als Henry das Buch zuklappte und den Blick hob, lag ein verlorener Ausdruck in seinen Augen, als würde er weder mich erkennen, noch wissen, wo er war.
    »Tut mir leid, dass ich Sie störe, Sir«, sagte ich.
    Seine Verwirrung ließ nach, und auf sein glattes Gesicht trat ein Lächeln. Nun sah er wieder so jungenhaft aus wie ein Lausbub auf einem Bild von Norman Rockwell – falls man in seinen Augen nicht mehr sehen wollte als ihr Grün.
    »Nicht doch«, sagte Henry, »ich freue mich, wenn du hier auftauchst. Komm, setz dich!«
    Links von der Tür hatte er bereits einen zweiten Stuhl hingestellt, offenbar in Erwartung meines Besuchs. Ich ließ mich darauf nieder und kam zu dem Schluss, dass es keinen Sinn hatte, mich nach einer Sonnenfinsternis zu erkundigen.
    »Ich hab mich mal wieder über Ufos informiert«, erklärte Henry.
    Er war fasziniert von Berichten über Entführungen durch Außerirdische und deren Stützpunkte auf der dunklen Seite des Mondes. Obwohl ich nicht recht wusste, warum, hatte ich das Gefühl, dass er in Ufo-Storys dasselbe suchte wie in Gedichten.
    Es war zwar ein wenig paradox, wenn ich als Geisterseher daran zweifelte, dass es Besucher aus dem Weltraum gab, doch ich sagte trotzdem: »Tut mir leid, Sir, aber ich kann einfach nicht glauben, dass es fliegende Untertassen und dergleichen gibt.«
    »Mehrere von den Entführten haben einen Lügendetektortest bestanden. Das ist gut dokumentiert.«
    »Wissen Sie, es leuchtet mir einfach nicht ein, dass eine superintelligente Rasse durch die ganze Galaxis reist, bloß um Leute zu entführen und ihnen Sonden in den Hintern zu schieben.«
    »Also, das ist nicht das Einzige , was die bei ihren Untersuchungen machen.«
    »Aber er scheint immer das Erste und Wichtigste zu sein.«
    »Meinst du nicht, ab und zu ist eine Koloskopie ganz empfehlenswert?«
    »Die kann ich auch von einem Arzt machen lassen.«
    »Aber nicht so gründlich, wie wenn die Aliens zur Sache

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