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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Neues.«
    Da er damit offenkundig nicht einfach meinte, das Baby würde für seinen Chef eine neue, interessante Erfahrung darstellen, fragte ich: »Etwas Neues? Inwiefern?«
    »Sinnlichkeit«, sagte er, wandte den Blick ab und betrachtete den Raubvogel, der hoch oben durch den blauen Tag glitt. »Nervenkitzel.«
    Bei diesen beiden Worten fiel mir ein derart breites Spektrum erschreckender Möglichkeiten ein, dass ich eine Erklärung von ihm verlangen wollte.
    Bevor ich den Mund aufmachen konnte, hob er abwehrend die Hand. »Ich hab schon viel zu viel gesagt und doch nicht genug. Wenn du sie schützen willst, solltet ihr jetzt abreisen. Dies ist ein … ungesunder Ort.«
    Ich konnte ihm nicht sagen, dass meine übernatürliche Gabe und Annamarias mir unbekannte Mission uns hergeführt hatten. Nur Freunden, die ich lange und gut kannte, durfte ich von meinem sechsten Sinn erzählen, sonst drohten erhebliche Probleme.
    Laut Annamaria befand irgendjemand sich hier in Roseland in großer Gefahr, vielleicht der Junge, um den die tote blonde Frau sich Sorgen machte. Mein Gefühl sagte mir, dass es sich bei der gefährdeten Person jedenfalls nicht um Henry handelte. Ich musste weitersuchen.
    »Wir können heute noch nicht abreisen«, sagte ich, »aber hoffentlich bald.«
    »Wenn es um Geld geht, kann ich euch was geben.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Sir. Aber es geht nicht um Geld.«
    »Ich hab dir gesagt, dies ist ein ungesunder Ort, und du bist gar nicht überrascht.«
    »Ein wenig schon.«
    »Nein, überhaupt nicht. Was bist du eigentlich?«
    »Bloß ein Grillkoch.«
    »Aber du hast keinen Job.«
    Ich zuckte die Achseln. »Die miese Wirtschaftslage.«
    Er wandte den Blick ab und schüttelte den Kopf.
    Der Wanderfalke stürzte in die Tiefe, als hätte er vergessen, dass er Flügel besaß. Mit seinen furchtbaren Klauen packte er einen kleineren Vogel mitten im Flug, schwang sich wieder höher und verschwand zu einem Baum, wo er in seiner ganzen Pracht hocken und sich an seiner gefiederten Beute gütlich tun konnte.
    Henry sah mich bedeutungsvoll an. In seinem Blick lag die Frage, ob ich es mir wohl einzugestehen wagte, dass ich dasselbe Schicksal erleiden würde wie der kleine Vogel, wenn ich zu lange in Roseland blieb. »Ich weiß, du bist nicht dumm, Odd Thomas«, sagte er. »Aber bist du ein Narr?«
    »Weniger als manche Leute, Sir, und mehr als andere.«
    »Du hast doch bestimmt Angst vor dem Tod.«
    »Eigentlich nicht. Nicht vor dem Tod an sich, nur davor, wie er mich erwischen könnte. Zum Beispiel davor, dass ich zusammen mit einem hungrigen Krokodil in einer Garage eingesperrt bin und bei lebendigem Leib aufgefressen werde. Oder dass man mich an zwei tote Männer kettet und in einem See versenkt. Oder dass jemand mir ein Loch in den Schädel bohrt, um mir einen Haufen Feuerameisen ins Gehirn zu schleusen.«
    Ich wusste nicht, ob Henry in jede Unterhaltung nachdenkliche Schweigephasen einflocht oder ob ich daran schuld war.
    Er rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her und blickte suchend in den Himmel, als hoffte er auf ein weiteres Zeichen, das mich dazu brachte, Roseland zu verlassen.
    Ich kam endlich auf das zu sprechen, was mich hergeführt hatte. »Sir, gehört eigentlich jemand namens Kenny zur Wachmannschaft?«
    »Nein, einen Kenny gibt es bei uns nicht.«
    »Ein großer, muskulöser Kerl mit üblen Narben im Gesicht. Er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift Tod ist Heilung .«
    Lange bevor Henry den Mund aufmachte, drehte er mir langsam den Kopf zu. Offenbar war Kenny hier durchaus bekannt, wenn auch vielleicht nicht mit Namen.
    »Man hat dir doch gesagt, du sollst zwischen Abend- und Morgendämmerung im Haus bleiben und die Türen verriegeln.«
    »Ja, Sir, aber dabei hat man mich nur vor Pumas gewarnt, vor nichts anderem. Außerdem bin ich nicht nachts auf ihn gestoßen, sondern heute Morgen.«
    »Aber nicht nach Sonnenaufgang.«
    »Mehr als eine halbe Stunde danach. Oben bei den Ställen. Wer ist er, wenn er kein Wachmann ist?«
    Henry erhob sich von seinem Sessel, ging zur Tür des Pförtnerhauses, zog sie auf und schaute zu mir zurück. »Hol die Frau und mach dich mit ihr davon. Du weißt nicht, was das hier für ein Ort ist.«
    Ich stand auf. »Dann sagen Sie’s mir doch.«
    Er ging hinein und schloss die Tür.
    Durchs Fenster sah ich, wie er nach dem Telefon griff.
    Wenn ich allein nach Roseland gekommen wäre, dann hätte ich mich vielleicht tatsächlich davongemacht, wie Henry es

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