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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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antworten, sagte er: »Sie können meine Bewegungen auf einem Plan vom Haus und vom Garten verfolgen, den sie auf ihrem Handy sehen. Sobald ich die Treppe runtergehe, kommt jemand, um mich überallhin zu begleiten.«
    Ich studierte das Gerät genauer. »Also, das Schloss sieht so ähnlich aus wie bei Handschellen«, sagte ich. »Mit so was kenne ich mich aus. Wahrscheinlich kann ich es mit einer Büroklammer knacken.«
    »Wenn du das versuchst, geht der gleiche Alarm los wie beim Verlassen des Apartments.«
    Als ich den Blick hob, um ihn anzuschauen, starrte er mich an. In seinen Augen standen Tränen.
    »Ich werde dich nicht im Stich lassen«, sagte ich, doch dieses Versprechen klang so arrogant, als forderte ich das Schicksal heraus. Wahrscheinlich würde ich eher scheitern als ihn befreien.

17
    Da es womöglich schwieriger war, den Jungen zu retten, wenn man entdeckte, dass er die Anordnungen der Haushälterin nicht befolgte, zog ich die Vorhänge zu.
    »Eigentlich müssen wir dich gar nicht aus Roseland hinausschaffen. Wir müssen nur die Polizei hereinholen. Vielleicht halten die mich dort zuerst für einen Spinner, aber ich habe einen guten Freund, der Polizeichef von Pico Mundo ist. Der wird mir glauben und seine Kollegen hier informieren.«
    »Nein. Nicht die Polizei. Das wäre … das Ende von allem. Du weißt nicht, wer ich bin.«
    »Dann sag es mir.«
    Er schüttelte den Kopf. »Wenn du es wüsstest, dann würden die Leute hier … die würden dich sofort umbringen.«
    »Ich bin zäher, als ich aussehe.«
    Zuerst schaute er drein, als wollte er mir ins Gesicht lachen, kehrte dann jedoch zu dem Sessel zurück, auf dem er anfangs gesessen hatte.
    Ich setzte mich wieder auf die Ottomane. »Du hast zu Mrs. Tameed gesagt, er hätte dich hierher gebracht und sollte dich wieder zurückbringen. Wen hast du damit gemeint?«
    »Ihn. Wen sonst? Es ist alles seinetwegen.«
    »Noah Wolflaw?«
    »Wolflaw«, sagte er. In der Verachtung, mit der er den Namen aussprach, lag eine Bitterkeit, wie sie ein Junge dieses Alters nicht hätte haben sollen.
    »Er hat dich also hierher gebracht. Soll das heißen, er hat dich gekidnappt?«
    »Schlimmer als das.«
    Scheinbar hatte er bei Annamaria Unterricht in Unergründlichkeit genommen.
    Da ich nur zu gut wusste, zu welcher Bosheit manche Menschen herabsinken können, nahm ich mich bewusst zusammen, bevor ich fragte: »Wieso will Wolflaw dich hier haben? Was … erwartet er von dir?«
    »Ich bin sein Spielzeug. Für ihn sind alle nur ein Spielzeug.« Seine Stimme zitterte, und hinter der Verachtung, die seine Worte ausdrückten, verbarg sich eine andere Emotion, die eher Traurigkeit als Zorn darstellte. Es war das Gefühl eines tragischen Verlusts.
    Ich erinnerte mich daran, dass Henry Lolam am Pförtnerhaus gesagt hatte, Wolflaws Interesse an Annamarias Baby habe mit Sinnlichkeit und Nervenkitzel zu tun.
    Mir wurde eng in der Brust, und in meiner Kehle spürte ich Ekel. Ein Kind von solchen Abscheulichkeiten sprechen zu hören, war unerträglich.
    »Ich weiß, was die Hölle ist«, sagte er und schien in den Tiefen des Lehnstuhls zu versinken. »Die Hölle ist Roseland.«
    Ich zögerte. »Er … fasst dich an?«, fragte ich dann.
    »Nein. Das ist nicht das, was er von mir will.«
    In einer Hinsicht war ich erleichtert, musste nun jedoch darüber nachgrübeln, was schlimmer sein konnte als das Schlimmste, was ich befürchtet hatte.
    Der Junge sagte: »Ich bin hier, weil er einen Moment lang Reue verspürt hat.«
    Eine derartige Bemerkung passte nicht zu einem Kind, und rätselhaft war sie mir ebenfalls.
    So, wie unser Gespräch bisher gelaufen war, bezweifelte ich, ihm Genaueres aus der Nase ziehen zu können.
    Bevor ich versuchen konnte, ihm eine Erklärung zu entlocken, fuhr er fort: »Jetzt behält er mich hier, um sich immer daran zu erinnern, dass es keine Grenzen dafür gibt, was er tun kann.«
    Frustriert davon, dass er nicht nur durch die elektronische Fessel behindert, sondern auch nicht besonders mitteilsam war, sagte ich: »Ich will dir nur helfen.«
    »Wäre schön, wenn du das könntest.«
    »Hilf mir doch dabei, dir zu helfen! Von wo hat er dich weggebracht? Wie lange hält er dich hier schon gefangen? Wie heißt du? Erinnerst du dich noch an deine Eltern, an deren Namen, an die Adresse, wo ihr gewohnt habt?«
    Auf diese Fragen hin bekamen seine braunen Augen eine unglaubliche Tiefe, die sie bisher nicht besessen hatten. Es war der Abgrund einer Einsamkeit, so

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