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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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aufzumuntern.
    Im Augenblick hatte er weder einen Schubkarren noch irgendwelche Gartengeräte dabei. Er schien den teppichkurzen Rasen zu beäugen, um auch noch das letzte Fitzelchen Unkraut zu entdecken und auszumerzen.
    Ich hatte die Erlaubnis, das Mausoleum aufzusuchen, was ich auch schon einmal getan hatte, aber momentan wollte ich nicht, dass Mr. Diu mich ins Gespräch zog oder mir womöglich sogar in das Gebäude folgte. Wenn er dabei war, musste ich die Finger von dem Mosaik lassen, auf das der Junge mich hingewiesen hatte.
    Am Ende der Terrasse wandte ich mich daher erst einmal nach Osten, wechselte jedoch die Richtung, sobald ich von dem Gärtner und vom Haus aus nicht mehr gesehen werden konnte. Ich hatte vor, mich dem Mausoleum von Süden her zu nähern.
    Kaum war ich außer Sicht, als ich nachdenklich stehen blieb. Mir war eingefallen, dass ich Mr. Jam Diu in den zweieinhalb Tagen, die ich nun schon hier war, nie bei der Arbeit gesehen hatte. Auch jemand von dem bestimmt sechs- oder siebenköpfigen Helferteam, das ihm unterstellt sein musste, war mir nie zu Gesicht gekommen.
    Nicht ein einziges Mal hatte ich einen Rasenmäher gehört. Oder ein Laubgebläse.
    Mir kam das makellose Innere des Hauses in den Sinn, in dem das Personal lediglich aus Mrs. Tameed und Victoria Mors zu bestehen schien. Und diese beiden waren scheinbar nie mit irgendwelcher Hausarbeit beschäftigt.
    Diese Fakten standen im Zusammenhang. Sie bedeuteten etwas. Momentan war mir ihre Bedeutung allerdings nicht klarer, als wenn man mir ein Dokument in Blindenschrift unter die Nase gehalten hätte.
    Vor mir sah ich eine lange, rechteckige Rasenfläche, die an drei Seiten von Kalifornischen Lebenseichen gerahmt war. In ihrer Mitte stand eine große Bleiskulptur von Enkelados, einem der Giganten aus der griechischen Mythologie. Mit trotzig gereckter Faust blickte er gen Himmel.
    Die Giganten hatten Krieg mit den Göttern geführt. Dabei waren sie von den Felsen, die sie aufgetürmt hatten, um den Himmel zu erreichen, zermalmt worden.
    Ehrgeiz und Dummheit sind eben eine gefährliche Kombination.
    Etwas an Enkelados kam mir merkwürdig vor. Als ich näher kam, sah ich, dass er zwei entgegengesetzte Schatten warf, der ein kürzer als der andere.
    Gar nicht gut. Als dieser unerklärliche Zustand das letzte Mal eingetreten war, war mir die Meute Biester auf den Pelz gerückt, begleitet von plötzlicher Nacht.
    Von Norden her segelten dunkle Wolkenschiffe heran, doch großteils war der Himmel klar. Die Sonne stand kurz vor ihrem Zenit.
    Ich beschirmte die Augen mit der Hand, um die Schatten unter den Bäumen ringsum zu studieren, weil ich dort irgendein ebenso merkwürdiges wie feindliches Wesen vermutete. Beobachtet fühlte ich mich ohnehin. Falls es jedoch jemanden gab, der mich beäugte, so war er gut versteckt.
    Als ich den Blick wieder auf die Statue richtete, zog sich deren nach Osten fallender Schatten zurück, sodass nur der dunklere, kürzere Schatten verblieb. Nachdem die Natur in Unordnung geraten war, hatte sie sich wieder ins Lot gebracht.
    Mit den auf Erden verweilenden Toten kann ich leben, solange sie mich nicht aufs WC verfolgen, was mir peinlich wäre. Wesentlich mehr erschüttern mich scheinbar übernatürliche Ereignisse, die außerhalb meines üblichen Erfahrungshorizonts liegen. Ich fürchte dann nämlich, sie könnten zu einem regelmäßigen Teil meines Lebens werden. Wenn ich mich nicht mehr darauf verlassen kann, dass Sonnenauf- und -untergang einem bestimmten Zeitplan folgen, wenn alles jederzeit einen doppelten Schatten wirft, dann werden morgen vielleicht die Vögel bellen und die Hunde fliegen, und dann bin ich in einer Woche ein völlig durchgeknallter Grillkoch, der mit den Pfannkuchen in der Pfanne spricht und erwartet, dass sie ihm antworten.
    Ich verließ Enkelados, den auf dem Weg zum Himmel platt gedrückten Giganten, und ging auf das Ende der Rasenfläche zu.
    Bevor ich zwischen die Bäume trat, sah ich mich um, weil ich hoffte, der Geist der Frau werde wieder erscheinen und mir zu verstehen geben, ob der Weg frei war oder nicht. Leider war meine tote Begleiterin nicht so zuverlässig wie Tonto. Kein Wunder, schließlich trug ich auch kein so schickes Outfit samt Maske wie der Lone Ranger.
    Durch das dichte Laubwerk der Eichen fiel so wenig Licht, dass hier kein Unterholz oder Gras wuchs. Auf dem dunklen Waldboden waren goldene Münzen aus Sonnenschein verstreut, und meine Schritte auf der nackten Erde waren

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