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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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war ausgesprochen unheimlich. Ich hatte das Gefühl, in das Reich einer kosmischen Maschinerie gelangt zu sein, die sich zwischen unserer Dimension und einer anderen befand und die Ordnung im Universum aufrechterhielt, indem sie unablässig in einem feinen Gleichgewicht vor sich hin sauste.
    Dennoch vermittelte das Gewölbe keinen futuristischen Eindruck. Einige Aspekte der Apparatur kamen mir viktorianisch vor, andere eher wie Art déco. Statt eine Konstruktion aus dem nächsten Jahrtausend darzustellen, schien sie antik zu sein oder vielmehr zeitlos, so als hätte sie schon immer existiert.
    Das Gefühl, beobachtet zu werden, das mich in Roseland ständig verfolgte, wurde nun stärker.
    Von dem glänzenden Rand der sausenden Schwungräder stieg ein Schauer aus honigfarbenen Lichttropfen zu dem Kupfergewebe an der Decke auf wie winzige Heliumballons. Dieser Vorgang stand im Gegensatz zu der rotierenden Bewegung, die sonst alles dominierte, und mit einem Mal überkam mich ein Eindruck des Schwebens. Das war nicht angenehm, sondern das mulmige Gefühl, ich könnte mich vom Boden erheben und … davontreiben.
    Wieder erklang die tiefe, körperlose Stimme mit dem unbekannten Akzent, die ich am Morgen gehört hatte, als ich auf das wie eine Laterne leuchtende Mausoleum zugegangen war, hinter mir: »Ich habe dich gesehen … «
    Ich drehte mich um, ohne jemanden zu sehen.
    »… wo du nicht gewesen bist«, flüsterte die Stimme.
    Als ich mich erneut umdrehte, sah ich am Ende des Raums einen Mann mit Schnurrbart stehen. Er war groß und hager, und er trug einen dunklen Anzug, der um seine knochige Gestalt schlotterte. Seine Bekleidung und seine ernste Haltung erinnerten mich an einen Leichenbestatter.
    Lauter als vorher sagte er: »Ich zähle auf dich.« Dann verschwand er hinter den Kugeln, die mir in der Mitte des Raums den Blick verwehrten.
    Ich eilte hinter ihm her, doch als ich auf die andere Seite kam, war er nirgends zu sehen. Auch als ich am Rand des gesamten Gewölbes entlangging, blieb er verschwunden, als hätte er durch Wände gehen können.
    Geister sprechen nicht. Und lebende Menschen entmaterialisieren sich nicht wie Geister.
    Was Geister angeht – als ich mich das nächste Mal umdrehte, stand ich direkt vor der Frau in Weiß. Ihr langes blondes Haar war von frischen blutigen Strähnen durchzogen und so zerzaust, wie es vielleicht in der Nacht gewesen war, in der sie ihr Pferd zum letzten Mal geritten hatte.
    Auch ihr Nachtgewand war blutig, und zum ersten Mal erschien sie mir mit drei Schusswunden in der Brust. Zwei davon, direkt über dem Herzen und knapp darunter, ließen erkennen, dass die Schüsse aus nächster Nähe abgefeuert worden waren, denn der Stoff des Gewandes war rund um die Wunden versengt. Der dritte Schuss hatte das Brustbein zerschmettert und war aus größerer Entfernung abgefeuert worden; wahrscheinlich war er der erste gewesen und hatte sie augenblicklich getötet. Dass der Mörder dann noch zweimal aus der Nähe in die Leiche geschossen hatte, wies wohl auf eine unglaubliche Wut hin.
    Bei der Waffe hatte es sich definitiv um ein großkalibriges Gewehr gehandelt. Die Hochgeschwindigkeitsgeschosse hatten den Brustkorb eingedrückt.
    Als die Frau feststellte, dass der Anblick der Gewalt, die man ihr angetan hatte, mich quälte, verblassten die Wunden und das Blut, und sie sah nun so aus wie in dem Moment, bevor der Mörder abgedrückt hatte. Wunderschön. Ihre Haltung und ihr Gesichtsausdruck ließen einen starken Willen erkennen. Ihr Blick war direkt und, so hatte ich den Eindruck, völlig aufrichtig.
    Sie drehte sich um und ging davon, blieb jedoch nach drei Schritten stehen und sah sich nach mir um.
    Mir wurde klar, dass sie mich irgendwohin führen wollte, und ich folgte der Schönheit zum Ende des Gewölbes. In einer Ecke führte eine schmale Wendeltreppe weiter nach unten.
    Sie wollte also, dass ich sie an jenen tieferen Ort begleitete …

23
    Spiralförmig wand die eiserne Treppe sich tiefer in eine Finsternis, die eine Abwesenheit von Hoffnung, nicht von Licht darstellte, denn das Licht unten war so golden wie in dem Gewölbe voller Kugeln und Schwungräder darüber.
    Ich hatte, wie schon erwähnt, von Auschwitz geträumt und in diesem Traum Angst gehabt, zweimal zu sterben. Dann hatte Annamaria mir versichert, ich werde nur ein einziges Mal sterben und dabei werde der Tod ohne Bedeutung sein.
    In unserem ganzen Leben gibt es viele Tage, an denen wir ein wenig sterben, indem wir

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