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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Schreibtischschubladen waren ebenso leer wie der Aktenschrank. In den Betonboden waren weitere Kupferstäbe eingebettet.
    Weil es kein Treppenhaus gab, musste ich die Außentreppe an der Ostseite des Hauses nehmen, um ins Obergeschoss zu gelangen. Dort fand ich einen Flur vor, von dem links und rechts fünf Zimmer und ein Bad abgingen. Hier hatten früher wahrscheinlich die Gärtnergehilfen gewohnt, doch jetzt waren die Räume unmöbliert.
    Am anderen Ende des Flurs führte eine Tür zur Dienstwohnung von Jam Diu: makellos rein und so spärlich möbliert wie eine Mönchszelle.
    Ihr Bewohner besaß keinen Fernseher, aber eine erstklassige Musikanlage. Während die Welt inzwischen meist gestreamte Medien aus dem Internet hörte, blieb Jam Diu bei seinen CD s. Seine Sammlung bestand fast vollständig aus klassischer Klavier- und Orchestermusik. Allerdings fiel mir ein Album des jodelnden Countrysängers Slim Whitman ins Auge, wahrscheinlich das Geschenk eines nichtsahnenden Bekannten.
    Wie man es bei jedem wahren Musikliebhaber vermutet hätte, hingen an der Wand des Schlafzimmers eine Schrotflinte Marke Beretta sowie ein Sturmgewehr. Befestigt waren die Waffen mit Federclips, um sie rasch herunternehmen zu können. Sie waren geladen. Auf einem Regal lagen etwa hundert Schachteln Munition für die beiden Gewehre, aber auch für Handfeuerwaffen.
    Offenbar hatte Mr. Jam Diu Angst vor etwas Aggressiverem, als es Blattläuse und Borkenkäfer waren.
    Die Pistolen und Revolver waren in den unteren beiden Schubladen einer Kommode verstaut. Auf den Schraubenzieher konnte ich also verzichten. Ich legte ihn hinten in die unterste Schublade und wählte aus dem Angebot von sechs Handfeuerwaffen eine Beretta Px4 Storm. Halbautomatik, Kaliber neun Millimeter, Lauflänge zehn Zentimeter. Siebzehnschüssiges Magazin.
    Ein Ersatzmagazin war auch vorhanden. Ich lud beide Magazine mit rückstoßarmen Kupfermantelgeschossen. Vor meinem geistigen Auge rannte ein Primatenschwein durchs hohe Gras, worauf ich noch eine Schachtel mit zwanzig Patronen in mein Jackett schob.
    In den Schubladen lagen Holster für jede der Waffen, jeweils mit einem Ersatzmagazinfach, in einfacher Ausführung oder aus bestem, extra dickem Leder, zum verdeckten Tragen unter der Achsel oder für den Gürtel. Mein Gürtel ließ sich leicht durch die Schlingen fädeln, und nach zwei Minuten hing die geladene Pistole an meiner Hüfte, von meinem Sakko verborgen.
    Bald ging es los. Ich hoffte, dass ich nur Schweine erschießen musste – und dass die Definition von Schwein streng biologischer Natur blieb.
    Im Schlafzimmerschrank fand ich Bettzeug und Handtücher. Ich nahm ein Handtuch heraus, um die Metallsäge darin einzuwickeln, und steckte das Bündel in einen Kissenbezug, der einen guten Sack abgab.
    Ich wollte mich zwar nach Kräften bemühen, nicht gesehen zu werden, während ich meine Aufgabe erledigte; wenn ich aber doch auf jemanden traf, konnte ich den Sack irgendwie rechtfertigen, vielleicht durch die Behauptung, ich wolle zum Picknick auf eine Wiese, und in dem Sack sei mein Proviant. Eine Metallsäge zu erklären wäre schwieriger gewesen.
    Mit etwas Glück stieß ich jedoch auf niemanden, bis mir eine bessere Story als das dämliche Picknick eingefallen war.
    Bevor ich mich davonmachte, blieb ich kurz im Wohnzimmer stehen, um einen Blick auf das Bücherregal zu werfen. Er enthielt etwa fünfzig Bände, meist voluminöse philosophische Schriften, aber auch vier dicke Bildbände, die zu groß für das Regal waren und daher flach lagen.
    Jeder dieser vier Bände befasste sich mit Hongkong. Die ersten Aufnahmen zeigten die Stadt, wie sie im späten neunzehnten Jahrhundert ausgesehen hatte, dann folgten Bilder aus jedem Jahrzehnt bis heute.
    Der Name Jam Diu war mir vietnamesisch vorgekommen. Aber ich bin nur ein unwissender, übersinnlich begabter Grillkoch, der nicht mehr über asiatische Kulturen weiß als über Molekularbiologie.
    Hongkong war einmal eine britische Kolonie gewesen; jetzt war es ein Teil von China. Der Gärtner sprach Englisch ohne jeden asiatischen oder britischen Akzent.
    Vielleicht war Jam Diu nicht sein richtiger Name. Falls Roseland tatsächlich voller Täuschung und Verschwörung war, wie es den Anschein hatte, dann hieß er wahrscheinlich eher Micky Maus als Jam Diu. Auf jeden Fall hatte er gelegentlich Heimweh nach Hongkong.
    Ich verließ das Haus, schloss hinter mir alle Türen ab und kehrte in den Schutz der Bäume und hohen Gräser

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