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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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noch immer Nächte, in denen ich gut schlafe.
    Die Schusswunden in der Brust der Leiche waren grässlich. Eigentlich wollte ich mich nicht näher mit ihnen beschäftigen.
    Dennoch kniete ich mich nach kurzem Zögern neben die Leiche und berührte das blutbefleckte Nachtgewand, um zu bestätigen, was ich vermutete. Ja. Das in den Stoff gesickerte Blut war immer noch klebrig – und es sah in den Wunden feucht und flüssig aus, was keinerlei Sinn ergab.
    Der Mörder hatte die Objekte seiner obszönen Sammlung so arrangiert, als wären sie Puppen, mit denen er gespielt hatte, um sie beiseitezulegen, sobald ihm langweilig geworden war. Sie saßen mit gespreizten Beinen da, die schlanken Arme schlaff an der Seite, die Handflächen wie flehend nach oben gewandt.
    Bis auf die Frau in dem Nachtgewand, das bis über die Knie hochgeschoben war, waren die anderen Puppen nur mit dem Gegenstand ausgestattet, mit dem man sie ermordet hatte. Manche waren mit einer Krawatte erdrosselt worden, die sich so tief ins Fleisch des Halses eingegraben hatte, dass der Mörder offenbar nicht einfach nur wütend gewesen war, sondern im Bann einer bitteren, schwärenden Bosheit und eines unversöhnlichen Hasses gestanden hatte. Andere waren mit zwei, drei oder wesentlich mehr Messerstichen getötet worden, und in jedem Fall war das Messer in der letzten Wunde stecken geblieben.
    Im Falle der dreiunddreißig nackten Toten lagen zwischen den gespreizten Beinen von Hand beschriebene Karteikarten auf dem Boden. Sie dienten dem Mörder offenbar als Gedächtnisstütze. Wie ein kleines Mädchen seinen Puppen Namen gibt, so war auch jedes Opfer in der Sammlung dieses kranken Mannes benannt. Wahrscheinlich handelte es sich um die Namen, unter denen sie gelebt hatten.
    Während ich vor der zweiten Leiche widerstrebend auf ein Knie ging, versuchte ich, nicht sie, sondern lediglich die Karteikarte anzuschauen. In Großbuchstaben stand dort TAMMY VANALETTI . Daneben hatte der Mörder säuberlich vier kleine Sternchen gemalt, die vielleicht darauf hinwiesen, wie sehr er die Zeit mit ihr genossen hatte.
    Weder mein Abscheu noch meine Traurigkeit ließen in irgendeiner Weise nach. Zusätzlich spürte ich nun aber einen dunklen Nebel aus großer Wut, wie er mich sonst nicht so leicht überkommt. Er stieg in mir auf wie aus dem Mark meiner Knochen und breitete sich in meinem ganzen Innern aus.
    Jede dieser Frauen war jemandes Tochter, Schwester, Freundin gewesen, vielleicht sogar die Mutter eines Kindes. Es waren keine Spielzeuge. Was der Mörder ihnen angetan hatte, war keine sportliche Leistung, die mit einem Sternchensystem bewertet werden konnte. Schon als Mensch wertvoll, war jede von ihnen vielleicht auch so wertvoll für jemanden gewesen wie Stormy für mich.
    Wut ist eine gewaltsame Emotion, rachgierig und ebenso gefährlich für den, der davon angetrieben wird, wie für alle, gegen die sie sich richtet. Wenn Wut selbstsüchtiger Natur ist – und das ist sie meistens – , dann trübt sie den Verstand und bringt dich in Gefahr. Ich aber musste einen klaren Kopf bewahren, um mit dem, was mich als Nächstes erwartete, umzugehen. Deshalb musste ich Stormy Llewellyn aus dieser Sache heraushalten, musste diese Grausamkeit weniger persönlich nehmen, meine Wut in rechtschaffene Empörung verwandeln und die bösartige Tat nur deshalb verachten, weil sie böse war. Wut ist wie ein roter Schleier, durch den man die Welt sieht, aber gerechter Zorn bedeutet Klarheit. Wer wütend ist, schießt oft aus der Hüfte und verfehlt sein Ziel oder trifft das falsche; wer zornig ist, handelt ohne bösen Willen, aber mit einem Durst nach Gerechtigkeit.
    Unter dem Namen von Tammy Vanaletti stand ein Datum. Um ihren Geburtstag konnte es sich nicht handeln, weil es erst acht Jahre her war und sie nach Anfang zwanzig aussah. Am logischsten war, dass man sie an diesem Datum ermordet hatte.
    Tammy war erstochen worden. Das Blut auf den Rändern ihrer Wunden sah frisch aus.
    Ich hatte keine Ahnung, wie das acht Jahre nach ihrer Ermordung möglich war. Aber ich spürte, wie der Teil meines Denkens, der nie schlief oder ruhte, die vielen, scheinbar unzusammenhängenden Fäden von Roseland allmählich zu einem Gewebe zusammenknüpfte.
    Bedächtig ging ich von Leiche zu Leiche, wobei ich jede Karte betrachtete, ohne sie anzurühren. Jedes Todesdatum lag näher an der Gegenwart als das davor. Ginger Harkin, das letzte Opfer, war erst vor knapp einem Monat getötet worden.
    Die

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