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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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dann gleiten ihre Schläge wirkungslos durch mich hindurch, wie es ihrer immateriellen Natur entspricht.
    Warum das so ist, weiß ich nicht. Ich habe die Regeln nicht aufgestellt, und wenn man mir erlauben würde, sie umzuschreiben, würde ich allerhand Änderungen anbringen.
    Ich weiß nicht einmal, wieso ich da bin, nur dass es so ist.
    Wieder schlug Mrs. Wolflaw nach mir, und dann ein drittes Mal. Ihre Unfähigkeit, mich zu treffen, enttäuschte sie so sehr, dass ihr Gesicht sich vor Verzweiflung verzerrte. Sie stieß ein klagendes Heulen aus, für das ich ebenso taub war wie die übrige Welt.
    Offenbar war sie eher verängstigt und frustriert als wütend. Sie machte nicht den Eindruck, als könnte sie so in Weißglut geraten, dass sie sich aus einem harmlosen Geist in einen gefährlichen Poltergeist verwandelte, der das Mobiliar durch die Gegend schleuderte.
    Meine Vermutung bestätigte sich, als sie sich von mir abwandte, an den toten Frauen vorbeirannte und verschwand, sobald sie ihre eigene, von Schüssen durchbohrte Leiche erreicht hatte.
    Manchmal kommt es mir vor, als ob ich träume, wenn ich in Wirklichkeit wach bin. Meine Realität kann so irreal sein wie das Land, durch das ich im Schlaf gehe.
    Mit der Versammlung aus Toten allein gelassen, blickte ich an die Decke, um die sechs Reihen von goldenen Zahnrädern zu betrachten. Die glänzenden Zähne griffen ineinander, bissen zu, ohne zu zerreißen, kauten, ohne zu verzehren, drehten sich ohne Geräusch und bewegten sich von Wand zu Wand durch den Raum, als wären sie das Uhrwerk in der Hölle, mit dem der Teufel maß, wie die Zeit fortschritt, hin zur Ewigkeit …

26
    In der Krypta mit dem geheimnisvollen Uhrwerk legten die zeitlosen Toten schweigend Zeugnis für das Potenzial des Menschen ab, Böses zu begehen. Wenn ich in ihre blinden Augen geblickt hätte, so hätte ich weinen müssen, doch dies war ebenso wenig eine Zeit zum Weinen wie zum Lachen. Deshalb ging ich zur Wendeltreppe zurück, voll gerechtem Zorn, aber ohne Wut.
    Ozzie Boone, der bekannte, hundertachtzig Kilo schwere Krimi-Autor, der in Pico Mundo lebt, ist mein Mentor, Freund und Ersatzvater. Er kommt in einigen Bänden dieser Memoiren vor, und seine schriftstellerischen Ratschläge haben jeden von ihnen geprägt.
    Zum Beispiel hat er mir den Rat gegeben, beim Schreiben müsse ich einen leichten Ton beibehalten, weil die Themen oft so düster seien. Ohne die Würze des Humors, meint Ozzie, würde ich nur für ein kleines Publikum aus bitteren Nihilisten und entschieden Depressiven schreiben, während ich Leser, die von der Hoffnung im Kern meiner Geschichte profitieren könnten, nicht erreichen würde.
    Solange ich am Leben bin, können meine Schriften nicht veröffentlicht werden, nicht zuletzt deshalb, weil ich sonst von Leuten belagert würde, die irrtümlich annähmen, ich könnte meinen sechsten Sinn kontrollieren . Sie würden von mir erwarten, als Mittler zwischen ihnen und ihren Angehörigen oder Freunden im Jenseits zu dienen. Andere würden meine Gabe noch mehr missverstehen und sich an mich wenden, um von allem Möglichen geheilt zu werden, von Krebs bis zu entzündeten Fußballen oder was auch immer.
    Hier, außerhalb von Pico Mundo, musste ich im Blick behalten, dass Polizei und Justiz wahrscheinlich kein offenes Ohr hatten, wenn ich von einer anderen Welt innerhalb der Welt erzählte, die sie kannten, von einer komplexeren Realität innerhalb der Realität aller materiellen Dinge. Man würde mich schuldig sprechen und die Schuldigen, gegen die ich zur Verteidigung von Unschuldigen meinen gerechten Zorn gewandt hatte, zu Opfern erklären. Bestenfalls konnte ich darauf hoffen, ins Gefängnis zu kommen, wahrscheinlich würde ich im Irrenhaus landen, und in den Jahren, in denen ich auf die Entscheidung wartete, hätte ich niemandem mit meiner Gabe helfen können.
    An der Treppe nahm ich etwas wahr, das ich bereits gesehen, aber nicht weiter beachtet hatte: eine Tür in der Wand. Die Treppe führte in Räume, die ich bereits aufgesucht hatte, die Tür hingegen zu etwas Neuem.
    Etwas Neues ist nicht immer besser. Ein Smartphone ist besser als ein Telefon mit Wählscheibe, aber vor nicht allzu langer Zeit hatten ein paar Irre die nur vermeintlich großartige neue Idee, ihrem Ärger Luft zu machen, indem sie Passagierflugzeuge in Wolkenkratzer steuerten.
    Dennoch ging ich, den Kopfkissenbezug mit der Metallsäge in der Hand, auf die Tür zu, zögerte und machte sie auf. Dahinter

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