Schwarze Heimkehr
durchfuhr. Er hatte eine Stimme, die kaum lauter als ein heiseres Flüstern war. Ich wollte ihn fragen, was er damit gemeint hatte, dachte aber, daß ich dann wie eine Idiotin wirken würde. Aus irgendeinem Grund wollte ich nicht, daß dieser Mann schlecht von mir dachte. ›Ich habe nichts gewußt‹, sagte er. Ich war so überrascht, daß mein Herz wie ein Football hüpfte, der zwischen die Pfosten geknallt wird. Das Blut tauschte in meinen Schläfen‚ und ich war nicht in der Lage, etwas zu sagen.
Als er sich später mit Ronald unterhielt, stahl ich mich in den anderen Raum. Sie haben es nicht gemerkt. Wenn es um ernsthafte Gespräche geht, haben Männer mit Mädchen oder Frauen nichts im Sinn. Sein Jackett hing an Donalds altmodischer Holzgarderobe. Ich war von diesem Jackett angezogen, wie magnetisiert. Lange Zeit tat ich gar nichts. Ich war zufrieden, meine Wange an der Anzugjacke zu reiben. Sie roch stark nach seinem Körpergeruch, und das gefiel mir. Dann steckte ich meine Hand in die Innentasche und fand seine Brieftasche. Es war eine dieser europäischen Brieftaschen, die auch Donald hatte - flach und so lang, daß man sie nicht in die hintere Hosentasche stecken kann. Es sind Börsen für reiche Leute, und man muß sie in die Innentasche der Anzugjacke stecken. Sie bestand aus Krokodilleder und war so dunkelblau gefärbt, daß es fast schwarz wirkte. Ich liebte diese Farbe. Ohne zu wissen warum, öffnete ich die Brieftasche, und dann sah ich den in Gold eingeprägten Namen: Trey Merli. Konnte irgend jemand wirklich einen derartigen Namen tragen? Wenn man das ›Y‹ wegläßt, erhält man ›tre merli‹, und das ist italienisch und bedeutet ›drei Amseln‹ Ich las den Namen wieder und wieder, bis er irgend etwas Magisches hatte. Trey Merli.«
Hier schien der Tagebucheintrag zu enden. Aber Rachel hatte in die letzten beiden leeren Zeilen am Ende der Seite noch hastig etwas mit Tinte niedergeschrieben - eine Adresse. Trey Merlis Adresse?
Croaker blickte von dem Tagebuch auf. Das Blut in seinen Adern strömte schnell. Nach Vonda Shepherds Auskunft war Trey Merli der Eigentümer des Gold Coast Auto Rental in Margate. Gold Coast war die Firma, wo Majeur den Lincoln gemietet hatte. Jetzt hatte sich herausgestellt, daß Merli Dr. Ronald Stansky kannte. Was konnte das bedeuten? Croaker wußte es nicht. Aber es war klar, daß die Maschinerie des Bösen ihre dunklen und häßlichen Geheimnisse preiszugeben begann.
Die Adresse, die Rachel in ihr Tagebuch gekritzelt hatte, befand sich auf Hibiscus Island, einer der Inseln draußen. der Mitte der Biscayne Bay. Man gelangte dorthin, indem man die Bucht auf dem Damm des MacArthur Causeways überquerte, an der Fountain Street abbog und über Palm Island fuhr.
Die Insel war klein, nicht mehr als zehn Querstraße lang und zwei Straßen breit und beheimatete große Stuck verzierte Häuser, von denen jedes einen eigenen Bootsanlegeplatz besaß. Croaker parkte den Thunderbird am Bordstein vor einem weißen Haus in der Mitte des Block. Wenn man von der dunkelblauen Markise und dem farblich abgestimmten Putz absah, glich es den Nachbarhäusern. Er stieg aus dem Wagen. Die Hitze tat seinen Schmerzen und Leiden gut.
Er schritt den Weg neben der Auffahrt hinauf und klingelte, aber die Tür wurde nicht geöffnet. Also ging er das Haus herum, an einer orangefarbenen Bougainvillea und rosa Hibiskussträuchern vorbei. Im hinteren Teil des Hauses befanden sich ein Patio und außerhalb davon ein abgeschirmter Swimmingpool. Davor waren in zwei Reihen acht weiße Sofas mit blauen Stoffkissen so perfekt arrangiert, daß man glaubte, hier sollte ein Fototermin stattfinden. Es war niemand zu sehen. Die Filter des Swimmingpools gurgelten wie ein gerade gefüttertes Kind. An der Spitze des Sichtschutzes rieben sich Palmenzweige. Auf einem kleinen Wagen sah man einen Stapel frisch gewaschener Handtücher mit kandisfarbenen Streifen. Darunter standen drei Flaschen mit verschiedenen Sonnenschutzmitteln.
Hinter dem Swimmingpool befand sich der Bootsanlegesteg, aber es war kein Schiff zu sehen. Als Croaker zur Hinterseite des Hauses zurückging, sah er, daß die Schiebetür nicht ganz geschlossen war. Er öffnete sie und betrat den Patio. Durch die Fenster direkt vor sich sah er ein großes Wohnzimmer. Rechts befanden sich die Fenster des Schlafzimmers, links die des Gästeflügels mit zwei Schlafzimmern. Nur ein grüner Plastikalligator‚ der im Swimmingpool trieb, bewegte sich. Er
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