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Schwarze Heimkehr

Schwarze Heimkehr

Titel: Schwarze Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric van Lustbader
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Weiß gestrichen, mit Möbeln, die so schwarz wie Beerdigungsflaggen waren. An den Wänden sah man Poster von Curt Cobain, dem früh verstorbenen Sänger von Nirvana, und andere Bilder von Rockbands: die Stone Temple Pilots, Live und R.E.M.
    Das Muster der schwarzweiß gestreiften Tagesdecke erinnerte Croaker an die alten Eßnischen aus den fünfziger Jahren. Er saß auf dem Bett und sah sich um, versuchte, aus Rachels Perspektive einen Eindruck von dem Raum zu gewinnen. Jeden Morgen, wenn sie aufwachte, hatte sie diese Umgebung vor Augen. Croaker wußte aus Erfahrung, daß die Menschen beim Aufwachen gern ihre liebsten Besitztümer erblickten. Er sah das Poster von Curt Cobain und das Fenster, in dem sich die Lichter von Palm Beach aneinanderreihten wie Juwelen am faltigen Hals einer Matrone. Dann erblickte er ein Foto auf ihrer Frisierkommode. In dem Rahmen aus schwarzem Holz steckte das Schwarzweißbild einer auffallenden jungen Frau mit dunklem, kinnlangem Haar. Sie trug einen durchsichtigen Plastiktrenchcoat und drückte eine weiße langhaarige Katze an ihre Brust. Unter dem durchsichtigen Regenmantel sah man einen breiten schwarzen Gürtel mit Metallbeschlägen. Croaker stand auf und ging hinüber. Das Foto war kein persönlicher Gegenstand, sondern aus einem Magazin herausgerissen worden. Die junge Frau war ein Model. Er drehte den Rahmen um und öffnete ihn, aber auf der Rückseite des Bildes sah er nichts Aufschlußreicheres als den Teil einer Anzeige für Buffalo-Jeans. Er konnte weder den Namen der Illustrierten noch das Erscheinungsdatum feststellen.
    Er steckte den Schnappschuß wieder in den Rahmen zurück und betrachtete ein anderes, kleineres Foto, das vom ersten verdeckt worden war. Das Bild zeigte Rachel. Sie hatte ein aquamarinfarbenes Kleid aus Satin mit einem lieblichen Dekolleté an, war aufgestylt und trug eine Perlenkette, die ihr vielleicht Matty geliehen hatte. Sie sah wunderschön und sehr erwachsen aus, als wäre sie im Begriff, einen Schulball zu besuchen, dachte Croaker. Das einzige Verstörende war, daß sie nicht glücklich zu sein schien. Er zog das Foto, das ihm seine Schwester gegeben hatte, aus der Tasche und verglich die beiden Schnappschüsse. Auf seinem war Rachel in einem unbeobachteten Moment abgelichtet worden, aber auf dem anderen, gestellten Foto war ihre Anspannung so dominant, daß sie nachdenklich und fast finster wirkte.
    Croaker stellte das Schulballfoto wieder hin, aber als er es ansah, fiel ihm etwas auf. Das Bild war ein bißchen verrutscht‚ und es schien noch etwas dahinter zu stecken. Er holte das Bild aus dem Rahmen und fand zu seiner größten Überraschung ein Foto von sich selbst. Einen Augenblick lang konnte er sich nicht daran erinnern, wann und Wo es aufgenommen worden war, doch dann kamen die Erinnerungen zurück. Es war auf der Hochzeit eines Cousins in Forest Hills geschossen worden. Aber waren auf diesem Foto nicht ursprünglich er und Matty abgebildet gewesen? Er hielt das Bild gegen das Licht und sah, daß die linke Hälfte sorgfältig abgeschnitten worden war, und als er genau hinblickte, erkannte er einen Teil des Arms und der Hüfte seiner Schwester.
    Nachdem er die Fotos zurückgesteckt hatte, durchsuchte er systematisch Rachels Schubladen. Er durchwühlte Stapel von schwarzen T-Shirts und Baumwollblusen, von Slips und Büstenhaltern‚ durchforstete alle Ecken. Er hielt nach zweierlei Ausschau: nach irgendwelchen Anzeichen von Drogen und einem Tagebuch. Mädchen in ihrem Alter führten fast immer ein Tagebuch. Sie waren für Geheimnisse bestimmt, und Croaker vermutete, daß seine Nichte mehr als genug davon hütete. Wer zum Beispiel war Gideon? Jemand, den sie nachts traf. Matty glaubte, er sei ein Freund, aber Croaker fügte insgeheim hinzu, daß er wahrscheinlich auch ein Mittelsmann war, der ihr Drogen besorgte. In der untersten Schublade fand er nur ein Duftkissen, das nach spanischem Flieder roch.
    Ihr begehbarer Kleiderschrank war eher leer als vollgestopft. Er enthielt nur ein paar Kleidungsstücke, von denen die meisten schwarz waren: drei Jeans, zwei Paar dicksohlige DocMartens, vorne so hoch wie die Stiefel der U.S. Army, und ein Paar schwarzweiße, nostalgisch aussehende Turnschuhe mit Gummisohlen. Auf einem Drahtbügel hingen etliche schwarze Gürtel verschiedener Formen und Größen, die mit Metallbeschlägen bestückt waren. Er dachte an das Foto des Models mit dem durchsichtigen Plastiktrenchcoat und dem schwarzen

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