Schwarze Herzen
hofften sie, er würde ihnen folgen und Kadence allein und schutzlos zurücklassen. Vielleicht wollten sie auch, dass sie ihnen folgte. So viele Möglichkeiten, allesamt mit düsteren Aussichten.
Der Fürst der Finsternis fand diese unerwartete Wendung vermutlich überaus amüsant. Wahrscheinlich war er … In ihrem Geist nahm plötzlich ein schrecklicher Gedanke Gestalt an. Wenn sie aus dem Weg wäre, könnte er seinen Aufenthalt auf der Erde ungehindert um ein Vielfaches des vereinbarten Jahres verlängern, sich Tausende unschuldiger Seelen holen, die Welt ins Chaos stürzen. Er könnte bis in alle Ewigkeit dort verweilen, wenn es ihm beliebte, und seine Gefolgsleute einfach mitnehmen. Über die Dämonen und die Menschen herrschen. Ja, das würde ihm gefallen.
Er war ebenfalls ein Gott, ein Bruder ihres Herrschers. Damit gab es keine Garantie, dass man ihn fassen und zurückschicken würde.
Natürlich. Der perfekte Plan. Genauso musste er es sich von Anfang an überlegt haben. Sie sollte hierherkommen. Und Geryon mitbringen. Luzifer wollte sie beide – die einzigen Hindernisse, die zwischen ihm und der Freiheit standen – tot sehen.
Um der Götter Willen, sie war blind in seine Falle getappt. Ihr wurde schlecht. Wie hatte sie nur darauf hereinfallen können? Ihm bereitwillig den Weg ebnen, indem sie exakt das tat, was er von ihr erwartet hatte? Was bin ich nur für ein naiver Dummkopf . Mehr noch als die Übelkeit quälte sie die Schmach.
So leicht. Sie hatte es ihm so leicht gemacht.
„Kadence, sag doch etwas. Was hast du?“ Geryon hockte sich vor sie, kniete sich dann zwischen ihre Beine und strich ihr mit einer Klaue sanft das schweißnasse Haar aus der Stirn.
Sie hob den Kopf, ihre Blicke trafen sich. Die Sorge in seinen wunderschönen braunen Augen verscheuchte das beschämende Gefühl, versagt zu haben – der Schmerz jedoch blieb unverändert. Dennoch, sie bereute ihre Entscheidung nicht. Ganz egal, wie es ausging, er würde frei sein. Dieser gute, starke Mann hätte endlich seine Freiheit zurück. So, wie er es verdiente.
„Es … geht … schon wieder“, brachte sie mit zitternder Stimme hervor. In Wirklichkeit fühlte sie sich, als würde sie von innen zerfleischt, ihre Organe in Fetzen gerissen.
„Tut es nicht, du kannst ja kaum atmen. Aber dagegen werden wir etwas tun.“ Er hob sie hoch und trug sie in den hinteren Teil der Taverne. In einen abgetrennten Raum, den der Besitzer genutzt haben musste. Dort legte Geryon sie auf eine Fellpritsche. „Darf ich?“, fragte er, den Amethysten mit zwei Fingern leicht in die Höhe hebend.
„Ja.“ Sie hatte vorgehabt, ihm dieses letzte Geschenk, das sie ihm machen konnte, nach Abschluss ihrer Mission zu geben, als Dank für seine Hilfe. Aber jetzt nickte sie und ließ ihn gewähren. Im Moment sah es eher nicht so aus, als würde sie noch irgendetwas abschließen.
„Meine Seele ist in diesem Stein?“
„Ja. Du musst ihn einfach nur dicht über dein Herz halten.“
„Das ist alles?“
„Ja“, wiederholte sie. Zu mehr war sie nicht in der Lage.
Langsam, vorsichtig, nahm er ihr die Kette ab und hielt den Anhänger vor seine Brust, wie sie gesagt hatte. Er schloss die Augen. Und dann … geschah zunächst überhaupt nichts. Doch gerade als er ihr einen fragenden Blick zuwerfen wollte, begann der Edelstein auf einmal zu glühen.
Geryon verzog den Mund und keuchte. „Brennt.“
„Ich kann ihn für dich ha…“
Aus dem Glühen wurde ein grelles Leuchten, das sich in einem Feuerwerk gleißender Funken entlud – und Geryon brüllte, laut und lang.
Als das letzte Echo seines Schreis verklungen war, entstand eine gespenstische Stille. Die Funken schwebten zu Boden und erloschen. Nur die Kette, die den Stein gehalten hatte, lag noch in Geryons Handfläche.
Der schmerzverzerrte Ausdruck in seinem Gesicht wich einem Lächeln, und langsam öffnete er die Augen. Doch als er an sich hinunterblickte, seine Arme, dann den restlichen Körper betrachtete, runzelte er die Stirn. „Was … ich bin nicht … ich hatte gehofft, mit meiner Seele würde ich auch meine alte Gestalt wieder annehmen.“
„Warum?“ Sie liebte ihn so, wie er war. Hörner, Fangzähne, Klauen, alles an ihm. Ja, liebte . Zweifellos. Sie hatte es schon früher vermutet, dann aber verleugnet. Jetzt konnte sie es nicht mehr abstreiten. Das war genau, was sie für ihn empfand, selbst im Angesicht des Todes.
Kein Mann hätte ein besserer Partner für sie sein können. Ihre
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