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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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Ganzes.«
    »Und von den Transsexuellen?«
    »Ist das nicht dasselbe?«
    »Laut ihnen nicht.«
    Wenn ich ehrlich war, wusste ich nicht besonders viel über das Thema.
    Wintilo nahm einen tiefen Schluck von seinem Drink. Mir fiel auf, dass er sich weigerte, auf die Bühne zu sehen.
    »Wärst du dazu fähig, Gil?«
    »Zu was?«
    »Sagen wir, wenn du schon aufgegeilt wärst …«
    »Wie, schon aufgegeilt?«
    Die tote Monroe gab eigenwillige Klagelaute von sich. Ihre Titten und ihr Körper wirkten weiblich, ihre Taille nicht ganz so. Ihre Füße auch nicht, und ihre Stimme noch weniger. Aber sie hatte Charme, und ich fand sie amüsant. Ich bewunderte die Professionalität, mit der sie hartnäckig eine Tote mimte, obwohl sie quicklebendig war.
    »Man sagt doch, in der Liebe und im Krieg …«, wagte sich Wintilo vor.
    »Wo wird Carcaño bei der Suche nach meinem Vater ansetzen?«
    »Er wird schon wissen wo.«
    »Wie, er wird schon wissen wo? Verscheißern kann ich mich selbst!«
    »Nichts widersetzt sich der Macht, nicht einmal das Unmögliche. Wenn du mich fragst, kann dein Vater von jetzt an jeden Tag nach Hause kommen. Und wenn es so weit ist, schmeißen wir eine verdammte Party für ihn!«
    Es war nicht das erste Mal, dass ich an die Rückkehr des Alten dachte. Ich hatte eigenhändig sein Zimmer gestrichen und sogar seinen Baseballhandschuh von den Diablos Rojos aufgehängt, weil ich dachte, dass er sich freuen würde, wenn er ihn dort sähe. Um ihn gnädig zu stimmen, aber auch als Wiedergutmachung. (Was hatte ich falsch gemacht? Warum hatte ich ihm nie gesagt, dass ich ihn respektierte? Warum hatte ich keine Vorkehrungen getroffen?).
    Aber im Laufe der Monate überkam mich ein Gefühl, von dem ich niemandem erzählen konnte: Ich wollte ihn gar nicht wiedersehen. Schließlich war ich nun seine Alzheimerepisoden los, seinen schlechten Charakter, seine miesen Scherze über meine Misserfolge. Ich lachte heimlich über die Entführer und stellte mir vor, wie sie halb wahnsinnig wurden von den Wutanfällen meines Vaters, der nicht umsonst Perro, »der Hund«, hieß und durchaus in der Lage war, sie zu entwaffnen und mit in den Tod zu reißen.
    Eine Applaussalve und einige wenige Buhrufe beendeten die Showeinlage der Monroe. Sie verabschiedete sich, indem sie ihren Hintern ins Publikum streckte, sich um die eigene Achse drehte und mit ihrem runzligen Gesäß Küsse in die Luft warf, während ein unter der Bühne versteckter Ventilator ihr Kleid zum Flattern brachte. Wie jeder andere hatte ich die Szene mit der echten Monroe im Fernsehen gesehen. Nun, der toten Monroe widerfuhr das Gleiche, und sie jauchzte vor Wonne. Ohne Scheu applaudierte ich.
    » Ekelhaft!«, knurrte Wintilo. Aber es klang nicht sehr aufrichtig in meinen Ohren.
    Nostalgische Musik breitete sich aus, und die Lichter wurden gedämpft. Mir stieg der Rauch einer Zigarette in die Nase, die neben mir aufgetaucht war. Die Tische standen dicht nebeneinander, und ein Mann hatte seine Hand auf meine Stuhllehne gestützt. Ich wartete nur darauf, dass er mich mit der Glut seiner Zigarette versengte, um ihm meinen Ellbogen ins Gesicht zu rammen.
    Das Erste, was durch den roten Samtvorhang gesteckt wurde, war ein wohlgeformtes Bein, dann erschien der ganze Körper – Judith. Sie trug ein Kleid aus blut- und honigfarbenen Pailletten, ihr Rücken war nackt, breit und männlich. Sie griff zum Mikrofon und klagte säuselnd, wie sehr die Sehnsucht schmerzt, wenn sie unterdrückt wird. Sie sang alles andere als gut, aber wenigstens sang sie nicht falsch. Eigentlich war ich ihr sogar dankbar dafür, dass sie nicht sang, sondern uns ihr trauriges Lied im Plauderton vortrug. Der Text war eine Variation des ewigen Themas: Du hast mich verlassen, kehr zu mir zurück und ähnlich klebriger Kitsch …
    »Er ruiniert es total!«, zischte Wintilo.
    »Was?«
    »Das Lied, Alter. Das ist von den Bukis.«
    »Welchen Bukis?«
    »Kennst du die Bukis nicht?«
    »Die Beatles?«
    »Die Bukis, du Arschloch! Die sind viel besser!«
    Ich schwenkte mein Glas. Der Kellner sah es aus der Ferne und nickte lächelnd.
    »Und schon hast du angebandelt«, sagte Wintilo.
    »Ich bin halt unwiderstehlich.«
    »Ekelhaft!«
    »Ich hoffe, es stimmt, dass keiner seiner Macht widersteht.«
    »Wessen Macht?« Misstrauisch beäugte Wintilo den Kellner.
    »Carcaños. Aníbal Carcaños.«
    »Ach so, hast du mich erschreckt. Du wirst schon sehen, dass es stimmt. Und Richter Oviedos Macht reicht sogar noch

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