Schwarze Küsse
lange her. Ich war ein kranker Mann und …«
Ich griff nach der Waffe und zertrümmerte ihm mit dem Kolben den kleinen Finger der Hand, die mir am nächsten war. Wie bei den beiden Schlägertypen, die mir in den Hintern getreten hatten, hatte mehr Präzision als echte Wut in dem Schlag gelegen. Ich musste nicht einmal viel Kraft aufwenden, die Eisenummantelung des Schaftes genügte. Pater Pila schrie nicht. Er blickte nur auf seinen Finger hinab und versteckte ihn zwischen den Beinen.
»Trinken Sie.« Ich schob ihm das Glas hin.
Er nahm es zitternd entgegen und trank einen Schluck.
»Wenn ich Sie umbringe, komme ich dann in die Hölle, Pater?«
»Ja!«
»Das sagen Sie nur, weil es Ihnen in den Kram passt.«
»Du sollst nicht töten, so steht es geschrieben.«
»Und es steht auch geschrieben, dass man niemanden in den Arsch ficken soll. Und das haben Sie mit Roberto getan. Sie haben ihn in den Arsch gefickt, wann immer es Ihnen passte. Wenn Sie damals jung waren, was war er dann? Ein kleines Kind?«
»So ist es nicht gewesen.«
»Sehr gut, reden wir darüber, wie es gewesen ist. Aber passen Sie auf, dass Sie dabei nicht in Wallung geraten …«
Er blieb stumm.
»Sie sagen nichts? Sie werden mir nicht erzählen, wie Sie ihn auf alle viere zwangen, wie Sie ihn überlistet haben, welche Drohungen Sie aussprachen, damit er den Mund hielt?«
»Es gibt etwas, das sich Reue nennt.«
»Dann habe ich diese Chance doch auch, Pater. Dann kann ich Sie umbringen und es hinterher bereuen.«
»So funktioniert das nicht.«
»Wie funktioniert es sonst? Erklären Sie’s mir. Wir haben den ganzen Nachmittag Zeit.«
»Mir tut der Finger weh. Und ich kann nicht atmen.«
Ich goss ihm noch mehr Wein ein.
»Wie funktioniert es? Sagen Sie es mir, ich möchte es verstehen. Ich muss es verstehen.«
»Es darf nicht vorsätzlich sein.«
»Und wenn es vorsätzlich ist, was passiert dann?«
»Dann ist die Reue nicht echt.«
»Und wenn sie nicht echt ist, und ich hinterher ehrlich bereue, dass meine Reue vorsätzlich war, was passiert dann, vergibt mir Gott dann meine Sünde? Oder anders gesagt, wenn ich mich bemühe, Reue zu zeigen, aber im Innersten weiß, dass die Versuchung größer ist, hat Gott dann Erbarmen mit mir? Wird er mir die Steine aus dem Weg räumen? Wird er mich an einen Ort führen, an dem ich die Sünde nicht ständig vor Augen habe?«
Wieder verfiel er in Schweigen.
Ich stand auf und sah mich um, wobei ich dem Pater den Rücken zukehrte. Es war bestimmt ein großes Dilemma für ihn, die Pistole auf dem Tisch liegen zu sehen. Das Wohnzimmer war ordentlich. Meine Frage, ob er eine Haushaltshilfe hatte, bejahte er. Ich nahm an, dass sie sauberer war als meine, aber vielleicht war auch nur der Pater sauberer als ich.
»Jetzt reden wir über Roberto.« Ich machte eine Vitrine auf, in der eine Flasche Brandy stand, öffnete sie und roch daran. Er schien bereits ein reifes Alter erreicht zu haben, was mir gewaltig das Herz erfreute. Ich goss ein wenig Brandy in die Gläser, aus denen wir zuvor den Wein getrunken hatten, und schob dem Pater sein Glas hin. Er griff mit der unversehrten Hand danach, hob es zitternd zum Mund und leerte es in einem Zug, aber seine Lippen blieben trocken. Auch ich trank und goss uns dann zwei weitere Gläser ein.
»Glaubst du an Gott, mein Sohn?«
Ich packte die Pistole wieder am Kolben, aber der Pater stoppte mich mit einer Handbewegung, woraufhin ich sie wieder auf den Tisch legte.
»Ich glaube nicht, dass wir beim Thema Religion jemals auf einen Nenner kommen, also erzählen Sie mir lieber von Roberto. Wo finde ich ihn?«
»Ich muss nachdenken …«
»Das erscheint mir nur vernünftig. Nehmen Sie sich Zeit.«
Ich näherte mich der Wand, um ein paar Fotos zu betrachten. Dabei dachte ich wieder an das Dilemma des Paters, an seine Versuchung, nach der Pistole zu greifen. Sie konnte ungeladen sein und ihn bei seiner Absicht, mich zu erschießen, im Stich lassen. Dann würde ihn allein der Versuch teuer zu stehen kommen. Sie konnte auch geladen sein, aber er wusste vielleicht nicht, wie man damit umging. All das musste ihm durch seinen Kopf mit dem schütteren weißen Haar gehen.
»Wer ist das, Pater?«, fragte ich und betrachtete eines der Fotos.
»Straßenkinder.«
»Und wo wurden diese Fotos aufgenommen?«
»In Colonia Tránsito.«
Auf einem der Fotos war eine mit vielen Blumen geschmückte Jungfrauenstatue in einer Vitrine zu sehen, auf einem zweiten Foto ein Gebäude,
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