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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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Taquería lief, die nun einen neuen Besitzer hatte, und dass ich ihm Milchbonbons mitbrachte, wenn ich ihn besuchen kam. Wir redeten über alles Mögliche, aber nie über das Verbrechen, das er begangen hatte, und nie über seine Familie, der er verboten hatte, ihn zu besuchen. Nur einmal brachte er das Thema von sich aus zur Sprache und warnte mich, es nie wieder anzuschneiden. »Ich habe diesen Jungen, Juanelo, nicht umgebracht, weil er meine Tochter entjungfert hat«, sagte er, »sondern weil der Teufel mir die Hand führte und mir befahl, ihm das Messer in die Leber zu rammen. Die Leute glauben, dass es eine Strafe für mich ist, dass sie mich in dieses Gefängnis gesteckt haben, aber da täuschen sie sich. Mir geht es gut hier. Ich arbeite weniger als in der Taquería, habe Verbindungen, enge Freunde. Ich schreibe sogar ein Buch mit Kochrezepten und eins über schwarze Magie … Weißt du, was meine wirkliche Strafe ist, Gil? Dass ich ein Sklave des Bösen bin.« Er öffnete sein Hemd und zeigte mir einen Teufel, der quer über seine Brust tätowiert war. Es war ein klassischer Teufel mit gewundenen Hörnern und Spitzbart, aber die grüne Farbe der Tätowierung und die dunkle Haut José Chóns ließen die Konturen ein wenig verschwimmen. Außerdem hatte er sich darunter das englische Wort für Teufel, devil, eintätowieren lassen, allerdings mit b, also »debil«, was jeden Wunsch, damit Angst und Schrecken zu verbreiten, zunichtemachte.
    Dieses Mal erzählte ich von allem ein bisschen, von Teresa Sábato, dem Baby, dem Fall Roberto, von Wintilo und Carcaño und der Möglichkeit, meinen Vater zurückzuholen. Ich musste ihm nicht sagen, dass ich einen Rat brauchte, meine Stimme klang gepresst genug.
    »Schlag dich auf die Seite des Gewinners«, riet er mir.
    »Auf welcher Seite, glaubst du, stehe ich?«
    »Auf der Seite des Idioten.«
    Ein Mann, der so wenig zu verlieren hat wie José Chón, lügt dich nicht an. Er senkte die Stimme und verriet mir das Rezept für einen Pakt mit dem Teufel, einen Pakt, bei dem man sich verpflichtete, ihn anzubeten, und im Gegenzug Macht verliehen bekam. Ich fragte mich, ob er langsam verrückt wurde. Die Liebe zu seiner Familie, sie nicht zu sehen, nicht in der Nähe zu haben, sich nicht um seine Tochter kümmern zu können – für die er sogar getötet hatte, nur um sie nicht in den Armen von Juanelo zu sehen, der sie in seinen Augen nicht verdient hatte –, das alles musste unerträglich für ihn sein.
    »Wirst du es tun, Gil? Wirst du mit dem Teufel sprechen?«
    »Wenn er mir sagt, wo Roberto ist, tue ich es vielleicht.«
    »Sei nicht albern. Der Teufel ist nicht die verdammte Klatschtante des Viertels. Man muss ihn um wirklich wichtige Dinge bitten. Was diesen Roberto angeht: Wenn man Fische fangen will, wo sucht man dann? Im Meer oder in den Bergen?«
    »Ist das eine religiöse Parabel, José Chón?«
    »Jetzt hau schon ab, du Dreckskerl.«
    »Soll ich da draußen jemanden von dir grüßen?«
    Er stand auf und ging.
    José Chóns Rezept war klassisch. Ich musste das Blut eines Unschuldigen vergießen, wenn ich ein Jünger des Teufels werden und mich als seiner Dienste würdig erweisen wollte. Dafür gab es das klassische Paket: Sex, Geld und Macht. Ich würde ihn nur um eins bitten, dass ich aufhörte, ein Verlierer zu sein.
    Es kommt einem wie ein Witz vor, wenn man an diesen Punkt gelangt ist. Wenn man die Menschen vorbeigehen sieht und sich fragt, welchen von ihnen man opfern soll, wen man verschwinden lassen könnte, ohne dass er vermisst würde. Mein erster Gedanke war ein Minibusfahrer, weil diese Fahrer die Musik hören, die ich am meisten hasse. In voller Lautstärke. Immer geht es darin um junge Liebe, die von schrillen Stimmen in simplen Reimen besungen wird, vor einem Hintergrund aus Pauken und Trompetengeschmetter … »Such dir einen Unschuldigen, Gil«, hatte José Chón gesagt. »Er muss nicht vollkommen unschuldig sein, denn sonst findest du ihn nie. Einen, der weder sehr gut noch sehr schlecht ist. Halte ein Taschentuch mit Formaldehyd bereit. Du springst ihn von hinten an, betäubst ihn und legst ihn in den Kofferraum deines Autos. Dann fährst du in eine stille Gegend und schneidest ihm mit einem scharfen Messer das Herz heraus. Ich kann dir gerne erklären, was für ein Messer du nehmen musst und wie du es anstellst, denn das ist nicht so leicht, wie es im Film immer dargestellt wird. Wenn du nicht weißt, wie es geht, richtest du bloß eine Sauerei an.

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