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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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gesagt?«
    »Nein.«
    »Woher weißt du dann, dass ich sie mag?«
    »Weil du den Kerl hier die ganze Zeit anstarrst.«
    »Das liegt nur daran, dass er so hässlich ist.«
    »Stimmt überhaupt nicht. Bade ihn, pflege ihn, lass ihn impfen. Sei gut zu ihm.«
    Teresa ging Richtung Tür. Ich spürte, dass dieser Abschied endgültig war. Sie durfte nicht einfach so gehen, diesmal nicht. Also fragte ich, warum sie gekommen war. Sie antwortete, sie wisse es nicht. Diese Antwort ließ ich nicht gelten.
    »Das mit uns darf nicht sein«, bemühte sie wieder ihr billiges Liebeslied.
    »Und wenn wir es versuchen?«, gab ich im gleichen Schnulzenton zurück.
    »Den armen Teufel lasse ich noch durchgehen, aber vor Monstern haben kleine Kinder Angst.«
    Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss.
    Sie öffnete die Tür und versuchte zu erklären: »Ich sage ja nicht, dass du innerlich ein Monster bist …«
    Den Rest des Nachmittags verbrachte ich damit, mithilfe der Hühnerbrühe wieder zu Kräften zu kommen, deren Hühnerflügel zwar nur aus Sehnen bestanden, mir aber das Gefühl gaben, mich nach und nach zurück ins Leben zu nagen. Dank Mama Morphium spürte ich keine Schmerzen. Was die Schmerzen in meiner Seele anging, so waren sie nichts weiter als der Widerhall von etwas Wichtigem, aber weit Entferntem. Meine zerfaserten Gedanken galten dem Abschied von meinem Vater. Du hättest dasselbe getan an meiner Stelle, du hättest auch den Hut genommen, sagte ich zu seinem Foto.
    Aber der Perro blieb stumm.
    Mir kam Teresa in den Sinn, in Wellen aus leisem Schmerz. Die Liebkosungen ihrer Finger hätten jeden glücklich gemacht, auch mich in anderen Zeiten. Aber indem sie mich zum Monster erklärte, hatte sie alles kaputt gemacht.
    In dieser Nacht ging ich auf die Straße hinaus. Sie war menschenleer, und so konnte der »Elefantenmann« einen Spaziergang machen, ohne für Angst und Schrecken zu sorgen.
    Ein von der Straßenbeleuchtung abgezweigtes Stromkabel verlief zu einer Glühbirne, die über einem Taco-Stand baumelte. Ich nahm die Gefahr in Kauf, dass die Verkäuferin mich mit einem Holzspieß durchbohren würde, sobald sie meiner ansichtig wurde. Aber mein zerquetschtes Gesicht entlockte ihren von der Straße abgehärteten Augen nicht den winzigsten Funken Entsetzen.
    »Wie viele, junger Mann?«
    »Drei. Mit viel salsa borracha, bitte.«
    »Zu trinken?«
    »Cola.«
    »Die ist nicht besonders kalt, die Orangenlimonade schon.«
    »Dann eben eine warme Cola.«
    Die Frau hatte kurzes, silbergraues Haar, das aussah, als wäre es aus Draht. Irgendwie war sie genauso Mann wie ich, nur energischer, selbstsicherer. Wir hatten eine Art Pakt geschlossen, bei dem ich die Würde ihrer Armut respektierte und sie meine nächtliche Anonymität. Sie zog eine Glasflasche aus einem Eimer Wasser, trocknete sie mit ihrer Schürze ab und öffnete sie mit einem Geräusch, das an Champagnerkorken erinnerte.
    Ein paar Betrunkene erschienen an der Straßenecke und versuchten, ein Taxi anzuhalten, aber keins blieb stehen. Die Frau sagte: »Schauen Sie sich die an, die sind doch schon wie Bodensatz: tief gesunken, grünlich und stinkend.«
    Ich bezahlte und sagte Gute Nacht.
    Zu Hause schaltete ich den Fernseher ein. Es lief eine dieser Verkaufssendungen, bei denen einem die Musik, die vor vier Jahrzehnten die ganze Welt vibrieren ließ, als höchstes Glück angepriesen wird. Präsentiert wurde das Ganze von einem Sechzigjährigen mit lüsternem Blick und von einer Frau, der man ansah, dass sie mit niemandem mehr gevögelt hatte, seit Armstrong den kleinen Schritt für einen Menschen und den großen für die Menschheit tat.
    Das Telefon klingelte. Mit dem Fuß zog ich den Wohnzimmertisch heran und nahm ab. Am Anfang lauschte ich der metallischen Stimme am anderen Ende der Leitung mit Belustigung, während im Hintergrund die Hippies ihr altes Lied dem Satan vorjaulten.
    »Hör mir zu, pendejo, und zwar ganz genau, denn ich sage es nur einmal: Du willst den Zombie wecken, und das könnte dich teuer zu stehen kommen.«
    Ich zögerte nicht mit der Antwort: »Jetzt mal unter uns Drogenkonsumenten: Ich glaube, du und die Idioten, die ich mir gerade im Fernsehen anschaue, seid auf dem gleichen Trip.«
    Ich legte auf. Das Telefon klingelte wieder.
    Unbeeindruckt antwortete ich: »Was ist denn noch?«
    »Willst du deinen Vater lebend?«
    »Von welchem Vater reden wir?«
    »Der Perro lebt. Und er bellt deinen Namen.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen

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