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Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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musste Immerknecht denken. Scheiß Totenstille. Ob es bei Sophie auch so still gewesen war? Ein Rascheln drang aus dem Wald, und es kam Leben in die Fichten, Schnee fiel aus den Bäumen. Dann fuhr jemand auf Skiern heran. Immerknecht war erstaunt. Es war nicht die Person, mit der er verabredet war.

[home]
    22
    K reuthner stand am Wallberghaus, um ihn herum fünfzehn Frauen meist mittleren Alters. Er hielt seinen Skistock hoch, um einer Nachzüglerin anzuzeigen, wo die Gruppe war.
    Kreuthner hatte gestern in der Schießstätte vorbeigeschaut, dem Wirtshaus, in dem sich die Mitglieder des Schützenvereins trafen (zu denen Kreuthner nicht gehörte, er war bei den Eisstockschützen). Gestern war Frauenabend gewesen, und die Sennleitnerin hatte Kreuthner an den Tisch gebeten, damit er etwas über die Tote am Wallberg erzählte. Das Vorkommnis war auf bestem Weg zur Legende und kam in immer neuen Versionen mit unglaublichen Details daher. In einer Fassung gab es sogar zwei Leichen mit aufgeschlitzten Bäuchen. Damit hatte Kreuthner nicht dienen können. Dafür aber mit vielen anderen Einzelheiten (wahren und frei erfundenen), die die Damen auf das Äußerste erregten. Allgemein war zutiefst bedauert worden, dass man nicht selbst dabei gewesen war, so packend hatte Kreuthner von dem Leichenfund berichtet. Das wiederum hatte Kreuthner auf eine Idee gebracht: Er bot an, die Frauen zum Tatort zu führen – und zwar auf der Originalroute. Das Angebot war frenetisch begrüßt worden, und wer konnte, hatte sich den Tag freigenommen, um mit Kreuthner auf den Wallberg zu fahren.
    »So, jetzt horcht’s amal her, Madln«, begann Kreuthner seine erste Ansprache als Fremdenführer. »Ihr kennt’s den Wallberg. Vorn runter is koa Kindergeburtstag. Die Abfahrt is net präpariert und so heiß wie die Sennleitnerin, wenn s’ ihren Hamperer dahoam lasst.«
    »Des sag ich ihm fei. Da mach dich auf was gefasst.«
    »Red net dazwischen. Also: schwarze Piste. Wer sich das nicht zutraut, den müss ma leider jetzt verabschieden.«
    Ein Blick in die Runde. Die eine oder andere rang sichtlich mit sich, ob sie dem Abenteuer gewachsen war. Doch lediglich eine Frau um die vierzig, die erst vor zwei Jahren aus dem Saarland hergezogen und auf den Skiern noch nicht so sicher war, gab auf. Unter großer Anteilnahme und der Beteuerung, es sei wirklich besser so, wurde sie zurückgeschickt.
    »Kommen wir jetzt zu einem nicht so angenehmen, aber trotzdem wichtigen Teil der Veranstaltung: dem Führerlohn.«
    »Der was?«, blökte die Sennleitnerin.
    »Zehn Euro, hab ich mir denkt, sind angemessen. Ich lass jetzt diese Mütze herumgehen. Bitte nix rausnehmen, nur reinlegen.«
    »Ja bist jetzt völlig damisch?« Die Sennleitnerin hatte offenbar noch Diskussionsbedarf. »Ham mir irgendwas von Geld g’sagt?«
    »Ham mir g’sagt, dass es umsonst is? Hast du schon mal a Führung gemacht, wo nix kost hat?«
    Anneliese Sennleitner hatte noch nie in ihrem Leben eine Führung mitgemacht und würde voraussichtlich den Kürzeren ziehen, wenn die Diskussion ins Empirische abdriftete. »Wieso sollten mir dir was zahlen? Des kost dich doch auch nix.«
    »Was is’n des für a Argument? Erstens hab ich mir extra für euch an Tag freigenommen …«
    »Schmarrn! Du hast dich krankgemeldet«, unterbrach ihn die Sennleitnerin. Es war klar, dass sie die Information von ihrem Mann hatte, der nicht nur ein enger Freund von Kreuthner, sondern auch dessen Kollege war.
    »Zweitens«, Kreuthner beschloss, die erste Argumentationslinie nicht weiterzuverfolgen, »bin ich der Einzige, der weiß, wie die Tote gefunden wurde.«
    »Und dafür gibt’s a Geld, oder was?«
    »Ja logisch. Ich gib dir mal a Beispiel: Jed’s Jahr zahlen Millionen Touristen a Menge Geld, damit sie sich Neuschwanstein anschauen können. Die könnten sich auch die Bruchbude von meinem Onkel Simon anschauen.« Kreuthner schlug ein Kreuz. »Aber die interessiert keinen – im Gegensatz zu Neuschwanstein. Und warum? Weil Neuschwanstein das einzige Neuschwanstein ist. Bruchbuden gibt’s an jedem Eck.«
    »Du willst uns also sagen, dass du Neuschwanstein bist.«
    »Ich bin«, Kreuthner überlegte kurz, ob der Vergleich standhalten würde, »das Neuschwanstein unter den Polizisten, wenn du so willst.«
    »Du bist einfach größenwahnsinnig.«
    »Wenn’s dir zu teuer is, dann lass es halt. Es wird keiner gezwungen.«
    Das war freilich keine Option für die Sennleitnerin. Die Aussicht, nicht über den Ausflug

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