Schwarze Piste
Hause gekommen. Ich war bei einer Freundin gewesen. Und da ist gerade jemand gegangen. Das Gesicht hab ich nicht erkannt. Sie war groß und dünn. So im Alter von meinen Eltern, schätze ich. Ich hab gefragt, wer das war. Aber meine Eltern haben nur gesagt, das sei jemand von früher. Und dass sie nervt. Ich glaube, sie haben sie mal Stalin genannt, als sie sich alleine unterhalten haben.«
»Dann weiß deine Mutter vielleicht mehr über die Frau?«
»Ist die Frage, ob sie es Ihnen sagt.«
»Ich werd’s rausfinden. Kannte dein Vater eine Sophie Kramm?«
Lea dachte nach, kam aber auf nichts.
»Sie kommt aus Riedern. Das ist kurz vor Gmund, bei Moosrain. Sie hatte einen Gnadenhof.«
»Ne, nie gehört. Wer ist das?«
»Das ist eine Frau, die wir vorgestern am Wallberg gefunden haben.«
»Oh«, sagte Lea. »Nein, ich kenn sie nicht. Und wenn mein Vater sie gekannt hat, dann hat er’s mir nicht gesagt.«
»Hat dein Vater erzählt, dass er zum Skifahren fährt?«
»Nein. Ich weiß nur, dass er in der Bank angerufen und gesagt hat, dass er nicht kommt. Das war heute Morgen. Ich hab mich zwar gewundert. Aber morgens reden wir nicht viel. Ich hab da Kreislaufprobleme.«
»Kenn ich«, sagte Wallner und sah auf die Uhr. »Was glaubst du, wie lange dauert es, bis deine Mutter wieder Alkohol braucht?«
»Kann nicht mehr lange dauern«, sagte Lea.
Von draußen hörte man einen Schuss.
[home]
29
N ora Immerknecht drückte die Klinke der Badezimmertür. Das bestätigte nur, was sie schon wusste: Die Tür war abgeschlossen. Sie verlangte lautstark, dass man die Tür öffnete. Niemand habe das Recht, sie im eigenen Haus gefangen zu halten. In den wenigen Sätzen, die sie durch die Tür schrie, verwendete sie elf Mal das Wort »Scheißbullen«. Kreuthner sandte von der Galerie ein beschwichtigendes Zeichen nach unten, wo sich die alarmierten Kollegen versammelten, um zu schauen, was los war. Er habe das im Griff, sagte Kreuthner, und sie sollten weiterarbeiten. Dann bot er Nora Immerknecht an, die Tür zu öffnen – wenn sie zuvor die Pistole aus dem Fenster werfe, was Nora Immerknecht jedoch ablehnte, weil sie dann vollkommen unbewaffnet wäre, und das sei keine Option bei einem Haus voller Scheißbullen. Kreuthner sperrte folglich die Tür nicht auf, fragte aber, ob Frau Immerknecht nicht einen Drink wolle. Das erzürnte die Gefangene im Badezimmer derart, dass sie sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür warf. Da die Tür nach innen aufging, führte das zu einer geprellten Schulter. Die Tür blieb zu. Kreuthner deutete das Stöhnen, das aus dem Bad kam, richtig und bot neben einem guten Glas Bier, Whisky oder was immer gewünscht werde auch eine Schmerztablette, vorausgesetzt, Frau Immerknecht entledige sich ihrer Waffe. Was dann kam, erstaunte nicht nur Kreuthner.
Unvermittelt zerriss ein Schuss das Türschloss, und die Tür öffnete sich. Kreuthner griff nach seiner Pistole, doch die hing nicht da, wo sie hängen sollte: an seiner rechten Hüfte. Das Projektil, welches das Türschloss zerfetzt hatte, war um Millimeter an Kreuthners Hüfte vorbeigeschossen und hatte das Pistolenhalfter weggerissen. Und so stand Kreuthner der schlechtgelaunten, gut bewaffneten und zu allem entschlossenen Nora Immerknecht gegenüber.
»Tun S’ die Waffe weg!« Kreuthner legte die ganze Autorität eines erfahrenen Streifenpolizisten in diese Worte. Als Antwort schoss Nora Immerknecht den Kronleuchter von der Decke. In der Eingangshalle stoben die Beamten auseinander, als er am Boden zerschellte.
»Da lang«, sagte die schwitzende, nervös wirkende Frau und deutete mit dem Pistolenlauf auf eine Tür. Kreuthner öffnete sie und trat in den dahinterliegenden Raum. Es war Leas Zimmer. »Ich hab jetzt eine Geisel!«, schrie Nora Immerknecht den Beamten im Erdgeschoss zu und verschwand ebenfalls in Leas Zimmer. »Unter’s Bett!«, befahl sie Kreuthner, der etwas konsterniert war ob dieser Anweisung. »Na, auf geht’s! Ich brauch was, das ist da.«
»Was denn?«, wollte Kreuthner wissen.
»Das geht dich einen Scheißdreck an, Bulle. Mach!« Als Kreuthner zögerte, schoss sie in die Decke und rief zur Tür: »Er lebt noch. Macht euch nicht ins Hemd!«
Kreuthner war mit einer gewissen Eile unters Bett gehechtet und fand dort eine erstaunliche Ansammlung von Flaschen mit geistigen Getränken vor. »Whisky oder Wodka?«, fragte er.
»Wodka«, war die Antwort. »Ich muss einen klaren Kopf behalten.«
Kreuthner kam mit einer
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