Schwarze Piste
Moment …« Sie blätterte weiter. »Auch.«
»Na gut. Das heißt noch nichts. Göttingen wär vielleicht interessanter gewesen. Aber recherchiert mal, ob es aus der Zeit irgendwelche Verbindungen gibt. Wo haben sie gewohnt, waren sie im AStA, Studentengruppen und so weiter. Die Mail von Stalin lässt darauf schließen, dass Sophie Kramm politisch aktiv war.«
»Was meinst du da speziell?«
»Na ja, ›mit sozialistischem Gruß‹ und dieses Zitat aus den Marx-Engels-Werken. Außerdem hat Immerknechts Tochter ihren Vater als jemanden geschildert, der immer noch irgendwelchen linken Idealen nachhing.«
»Der Bankvorstand?«
»War vielleicht so einer, der den Marsch durch die Institutionen angetreten hatte. Jedenfalls sollten wir in der Richtung nachhaken. Fragt auch mal in Rosenheim beim K 5 .«
»Was ist das?«, wollte Oliver wissen, der noch nicht so lange in Miesbach war, dass er sämtliche Organigrammteile des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd hätte kennen müssen.
»Staatsschutz«, klärte ihn Mike auf. »Der Verfassungsschutz hat früher die linke Studentenszene beobachten lassen. Damals, als die RAF noch aktiv war. Das könnte in die Zeit fallen, als Immerknecht und Kramm studiert haben.«
»Ich kümmer mich drum«, bot Janette an.
»Es gibt übrigens noch etwas Interessantes an den Tischkalendern.« Tina deutete auf die Liste in Wallners Hand. »Die Termine mit dieser Sophie hören im Jahr 2008 auf. Der letzte ist im September 2008 .«
»Du meinst, seitdem haben sie sich nicht mehr getroffen?«
»Scheint so.«
»September 2008 – da war doch was?«
»Bankencrash. Lehman-Pleite«, steuerte Oliver sein zeitgeschichtliches Wissen bei.
»Die Lehman-Pleite war im September 2008 ? Bist du sicher?«
Oliver tippte etwas in Wallners Computer. Es war eine Google-Suche. »Exakt am fünfzehnten September 2008 .« Oliver lächelte und versuchte, dabei nicht überheblich zu wirken.
»Hattest du als Kind eigentlich Freunde?«, fragte Wallner.
»Ach, Freundschaft! Freundschaft ist ein irrationales und verlogenes Konzept und wird vollkommen überschätzt.«
»Danke, Oliver. Dem ist nichts hinzuzufügen. Aber mal abgesehen von Lehman – gab es da nicht noch was anderes, das uns an den September 2008 erinnert?« Bei den anderen wollte keine Erinnerung aufkommen. »Das Foto mit der Leiche! Es wurde im Herbst aufgenommen. Die Tasche auf dem Foto wurde ab Sommer 2007 verkauft. Die Leiche aber lag vermutlich mehrere Monate im Boden. Das heißt, das Foto kann frühestens auf den Herbst 2008 datieren.«
»Also ein weiteres Indiz, dass die Mordopfer, die Tote auf dem Foto und das Jahr 2008 irgendwie zusammenhängen. Vielleicht haben sie sie im September 2008 umgebracht«, spekulierte Tina.
Janette klappte ihre Akte zusammen und schüttelte den Kopf. »Nein, das muss vorher gewesen sein. Die Leiche lag ja schon mehrere Monate im Boden.«
»Ich krieg das alles nicht zusammen.« Wallner hatte sich an seinen Computer gesetzt und seine Mails aufgerufen. »Vielleicht also wurde im September 2008 das Foto dieser Leiche gemacht. Gehen wir mal davon aus, dass es so war, und gehen wir weiter davon aus, dass die jetzigen Mordopfer dieses Foto gemacht haben.«
»Oder jemand anderer hat das Foto gemacht. Immerhin scheint es ja vom Täter zu stammen. Vielleicht wussten die Opfer gar nichts von der Existenz des Fotos. Oder von der Leiche.«
»Alles möglich. Aber erstaunlich ist doch, dass die beiden Opfer ihren Kontakt abbrechen, und zwar ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, als das Foto vermutlich entstanden ist.« Wallner öffnete eine Mail. »Das passt ganz gut. Ich hab eine Mail von den Kollegen in München bekommen. Sie haben die Adresse der Prostituierten ausfindig gemacht.« Im ersten Moment schienen die meisten damit nichts anfangen zu können.
»Die Frau, die dem Werbetexter wahrscheinlich die Kreditkarte geklaut hat«, ergänzte Mike. »Mit der ist die fehlende Tasche bezahlt worden.« Er wandte sich an Wallner. »Die Adresse ist vermutlich kein Friedhof?«
»Nein«, sagte Wallner. »Die Frau lebt.«
»Schade eigentlich«, sagte Mike. »Dann ist sie also nicht die Tote auf dem Foto.«
»Sie wohnt inzwischen in Wasserburg und betreibt dort ein Tattoo-Studio.«
»Okay«, sagte Mike. »Da kann man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.«
Als Wallner die Versammlung auflösen wollte, steckte Kreuthner seinen Kopf herein. »Hallo, Freunde. Ihr habt’s irgendwie vergessen, mich
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