Schwarze Piste
plötzlich denk ich mir: Au verdammt!«
Wallner hing gespannt an Mikes Lippen. »Was war’s?«
»Ich hatte den Wagen zwei Tage vorher an einen Freund verliehen, und der hatte offenbar auf dem Grund vom Nachbarn geparkt.«
Wallner zog ein Blatt Papier aus seiner Daunenjacke. Es war ein kurzes Dossier über Stefanie Hussvogel, in dem die wichtigsten Daten über sie zusammengefasst waren. Wallner tippte auf eine Zeile in der unteren Hälfte des Blattes. »Da schau: Frau Hussvogel hat einen jüngeren Bruder.«
Als die Kommissare erneut den Hof betraten, in dem das Tattoo-Studio lag, konnten sie bereits die Stimme der Studiobesitzerin hören. Sie beschwerte sich bei ihrem Gesprächspartner über dessen Dummheit und gab zu verstehen, dass sie nicht länger gewillt war, seine Scheiße wegzuräumen, wie sie sich ausdrückte. Da der Angesprochene nichts sagte, stand zu vermuten, dass Frau Hussvogel telefonierte. Mike und Wallner warteten das Ende des Gesprächs ab, das allerdings nur weitere Beschimpfungen und keine neuen Fakten hervorbrachte.
»Sie haben gerade telefoniert?«, fragte Wallner, nachdem sie das Studio betreten hatten. »Mit Ihrem Bruder?«
Frau Hussvogel schwieg.
»Gehe ich recht in der Annahme, dass nicht Sie, sondern Ihr kleiner Bruder die Kreditkarte gestohlen hat? Während der Kunde bei Ihnen war?«
Hussvogel schwieg weiter. Aber an ihrem Gesichtsausdruck war recht deutlich abzulesen, dass Wallner auf der richtigen Fährte war.
»Sehr edel, dass Sie die Schuld auf sich nehmen, zumal Ihr Bruder aktuell eine Bewährung laufen hat.«
»Ich sag jetzt gar nichts mehr. Würden Sie bitte mein Studio verlassen.«
»Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wir müssen alles selber rausfinden. Dann wird zwangsläufig gegen Ihren Bruder ermittelt. Mit welchem Ausgang, wissen wir nicht. Oder Sie sagen es uns. Dann müssen wir gegen niemanden ermitteln. Also noch mal: Ihr Bruder hat die Karte geklaut und damit wahrscheinlich die Tasche gekauft. Wissen Sie, für wen?«
Stefanie Hussvogel wog einen Augenblick lang die Optionen ab und sagte: »Er war damals mit einer Stripperin befreundet. Ich bin sicher, dass er ihr die Tasche geschenkt hat.«
Ein Anruf bei Stefanie Hussvogels Bruder bestätigte, dass er im Herbst 2007 einer Franziska Michalski in einem Trachtengeschäft eine Handtasche gekauft hatte. Wo die Frau sich heute aufhielt, wusste er nicht. Die Affäre sei bald vorbei gewesen. Franziska Michalski habe gesagt, sie hätte einen anderen Mann kennengelernt. Sie sei damals in gehobener Laune gewesen, teuer gekleidet und mit einem Sportwagen unterwegs. Danach habe er nichts mehr von ihr gehört, obwohl er versucht habe, sie zu kontaktieren. Aber sie sei wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Das sei im Frühsommer 2008 gewesen.
Mike hatte während des Telefonats den Namen Franziska Michalski im Internet ins Telefonbuch eingetippt. Es gab nur einen Eintrag, und die Frau wohnte nicht in München.
»Ruf sie an«, schlug Wallner vor.
Am anderen Ende meldete sich eine junge Frau, die nicht Michalski hieß. Sie war die Pflegerin von Frau Michalski, einer Dame ehrwürdigen Alters, die vor kurzem einen Schlaganfall erlitten hatte, weshalb Mike darauf verzichtete, mit ihr zu reden.
Wallner wandte sich wieder Stefanie Hussvogels Bruder zu, der immer noch in der Leitung war. »Sie haben seit 2008 nichts mehr von der Frau gehört?«
»Sommer 2008 war Schluss. Keine Anrufe, keine Mails. Ich hab später mal zufällig eine Freundin von ihr getroffen. Die hat aber auch nichts mehr von ihr gehört. Die war wie vom Erdboden verschluckt.«
Wallner bat um den Namen der Freundin.
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37
I m Eingangsbereich der Polizeistation traf Kreuthner auf Sennleitner. »Servus«, sagte Kreuthner und schlürfte an dem Kaffee, den er in der Hand hielt. Sennleitner nickte nur. Seit den Vorkommnissen am Wallberg war die Stimmung zwischen den beiden etwas verkrampft. »Du, sag mal. Ich versuch die ganze Zeit, dass ich die Anneliese erreich. Die ruft auch nicht zurück.«
»Wundert dich aber net, oder?«
»Ach, wegen der … G’schicht da, am Wallberg?«
»Am besten gehst ihr die nächste Zeit aus dem Weg. Die is gar net gut auf dich zu sprechen.«
»Das tut mir leid. Aber ich kann ja auch nix dafür, dass da schon wieder a Leich auf’taucht is.«
»Sie is vier Stund in dem Schneeloch g’steckt. Vier Stund! Is fei a lange Zeit.«
»Okay, okay. Ich schick ihr Blumen. Aber ich muss irgendwie mit ihr reden. Wegen der
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