Schwarze Piste
einzuladen.«
»Verdammt«, sagte Wallner. »Wer hat jetzt das wieder verbockt?«
»Lass gut sein, Clemens. Ich weiß schon, ich bin grad mal gut genug, dass ich euch die Leichen herbring. Gestern war ich übrigens bei der Daniela Kramm. Die erzählt, dass ihre Schwester und Jörg Immerknecht zusammen studiert haben.«
»Bist du sicher?«, fragte Janette. »Immerknecht hat Jura studiert, Kramm Sozialpädagogik.«
»Abgesehen davon«, Wallner war zu Kreuthner an die Tür gegangen. »Es wäre mir lieber, du würdest die Befragungen uns überlassen. Versteh mich nicht falsch, aber die Leute sind zum einen genervt, wenn dann noch mal einer von uns kommt. Und außerdem haben wir hier den Überblick und wissen, was wir den Zeugen sagen können und was nicht.«
»Ja, hockt’s nur weiter auf euerm hohen Ross. Ihr wisst’s doch überhaupts net, was hier g’spielt wird. Und ihr werdet’s euch noch umschauen, was ich alles rausfind. Ich weiß Dinge, davon könnt’s ihr nur träumen. Man sieht sich.« Kreuthner rauschte ab.
»Der baut Scheiße, ich sag’s dir.«
»Mike – er baut jedes Mal Scheiße. Sei so gut und fahr den Wagen vor. Wir müssen nach Wasserburg.«
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36
D as Städtchen Wasserburg liegt, umgeben von einer Innschleife, etwa dreißig Kilometer nördlich von Rosenheim und bietet fast das ganze Jahr über einen ausgeprägt idyllischen Anblick. Die gesamte vom Inn umgebene Insel ist mittelalterliche Altstadt mit engen Gassen, Spitzbogenarkaden, einem gotischen Rathaus, mehreren ebenso alten Kirchen und einer Burg, die über allem thront. Es war Weihnachtsmarkt. Wallner und Mike ließen den Wagen deshalb im Parkhaus vor der Brücke, die in die Stadt hineinführte. Man gelangte zu Fuß innerhalb von fünf Minuten an jeden beliebigen Punkt des historischen Stadtkerns.
In einem steinalten, dunklen Innenhof, der von einer Gasse abzweigte, befand sich das Tattoo-Studio »Born to be wild«. Als Mike und Wallner eintraten, hatte die Studiobesitzerin einen schmächtigen Teenager in Bearbeitung. »A halbe Stund brauch ma noch. Könnt’s euch inzwischen a Motiv aussuchen. Kataloge liegen auf’m Tisch.«
»Danke«, sagte Mike. »Aber wir haben nur ein paar Fragen.«
Stefanie Hussvogel, eine Frau Ende dreißig mit ansprechenden, aber leicht verlebten Zügen, vielen Ringen an den Fingern, noch mehr im Gesicht, Tattoos auf den Armen und langen, schwarzen Haaren, die am Scheitel graue Ansätze hatten, brauchte keine Sekunde, um Wallner und Mike einzustufen. »Polizei?«
Wallner nickte. Frau Hussvogel beendete ihre Sitzung und schickte den schmächtigen Junge weg, auf dessen Unterarm das Wort »Lissy« zu lesen war.
»Deine Freundin?«, fragte Mike, um die Stimmung zu lockern.
»Na, die Mama«, murmelte der Teenager, zog einen dünnen Mantel über, bei dessen bloßem Anblick Wallner Gänsehaut bekam, und ging.
»Nehmen S’ Platz.« Frau Hussvogel deutete auf eine alte Ledercouch. Wallner und Mike nahmen Platz, die Tätowiererin holte sich einen Bürostuhl mit Rollen.
»Schön haben Sie es hier«, log Wallner. »Sie haben sich ein neues Leben aufgebaut?«
»Ja. Seit drei Jahren. Und auch in meinem alten Leben hab ich nix gemacht, was Sie was angeht.«
»Nun – leider eben schon.« Wallner öffnete vorsichtig den Reißverschluss seiner Daunenjacke, während Stefanie Hussvogels Haltung mit einem Mal angespannt wirkte.
»Die G’schicht mit dem Koks müsst schon längst gelöscht sein. Was soll des?« Ihr Blick war herausfordernd, argwöhnisch und wachsam.
»Haben Sie so eine Tasche?« Mike zog das Foto, das er im Trachtengeschäft Dirndl-Rausch von der Handtasche gemacht hatte, aus der Jacke und reichte es der Frau. Sie betrachtete das Foto und schien ernsthaft nachzudenken, ob sie die Tasche schon einmal gesehen hatte.
»Ich kenn die Tasche nicht.«
»Tatsächlich? Die Tasche wurde mit einer Kreditkarte bezahlt.«
»Mit meiner?!«, fragte Hussvogel ungläubig.
»Nein«, sagte Mike. »Mit der Karte eines Ihrer damaligen Kunden. Das war im Herbst 2007 . Der Kunde vermisste die Karte nach einem Besuch bei Ihnen.«
»Spinnt der? Ich hab dem seine Kreditkarte net g’stohlen. Ich hab meine Kunden nie bestohlen. Ich bin doch net blöd.«
»Das ist in der Tat eher ungewöhnlich. Aber es kommt vor. Und im vorliegenden Fall ist es praktisch die einzige Möglichkeit.« In Hussvogels Gesicht spielten sich interessante Dinge ab. Zunächst meinte Wallner, so etwas wie echte Empörung zu erkennen. Aber
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