Schwarze Piste
geführt. Diese Aktivitäten waren, nachdem sich die RAF 1998 aufgelöst hatte, naturgemäß rückläufig. Was er im Augenblick für einen Aufgabenbereich hatte, war unklar, und er hatte offenbar auch nicht vor, sich mit Mike und Wallner darüber zu unterhalten. Hauser machte, davon abgesehen, einen sehr lockeren, nachgerade hemdsärmeligen Eindruck und strahlte die Souveränität eines Mannes aus, der sein Metier beherrscht. Er hatte einen Besprechungstisch mit Kaffee und Weihnachtsgebäck vorbereitet und bat die Kommissare, Platz zu nehmen. Nachdem er Kaffee eingeschenkt und Wallner zu seinen Ermittlungserfolgen in den letzten Jahren beglückwünscht hatte und damit offenkundig war, dass er seine Hausaufgaben als Geheimdienstler erledigt hatte, bat er sie, ihr Anliegen vorzutragen.
»In den letzten Tagen sind zwei Personen am Tegernsee unter merkwürdigen Umständen zu Tode gekommen. Eine Sophie Kramm und ein Mann namens Jörg Immerknecht. Beide wurden an der gleichen Stelle am Wallberg mit aufgeschlitzten Pulsadern und einem Betäubungsmittel im Blut aufgefunden. Wir vermuten, dass es eine Verbindung zwischen den beiden Mordopfern gibt und dass diese Verbindung uns möglicherweise zum Täter führt oder zumindest weitere Hinweise liefert. Bislang haben wir nur herausgefunden, dass beide etwa zur gleichen Zeit in München studiert haben. Die Frau Sozialpädagogik, der Mann Jura. Und sie haben eine mysteriöse gemeinsame Bekannte aus dieser Zeit, die gern aus den Werken von Marx und Engels zitiert und E-Mails mit sozialistischem Gruß unterschreibt. Es scheint uns daher nicht ganz fernliegend, dass die beiden, sagen wir, in der linken Studentenszene aktiv waren und von Ihrer Behörde erfasst wurden.«
»Das Vertrauen ehrt mich. Aber wir haben natürlich nicht jeden Studenten observiert, der mal auf einer Anti-Pershing-Demo war. Auch wenn das gerne behauptet wird. Ich habe noch nicht ganz verstanden, was wir zur Aufklärung des Falles beitragen könnten – mal vorausgesetzt, es gibt hier Material über die beiden.«
»Das hängt von den Informationen ab, die wir von Ihnen bekommen. Aber nehmen wir mal an, jemand hat es – aus welchem Grund auch immer – auf Leute abgesehen, die damals in der Szene waren. Möglicherweise können wir weitere Morde verhindern, potenzielle Opfer warnen. Aber dazu müssten wir wissen, wo die Verbindung zwischen Kramm und Immerknecht zu suchen ist. Vielleicht wissen Sie auch Dinge, die sonst niemand weiß. Dinge, die ein Mordmotiv abgeben. Straftaten, für die sich jemand rächen will. Oder jemand ist ins Gefängnis gekommen und will jetzt Vergeltung.«
»Ja, wäre schön, wenn wir so was beisteuern könnten. Irgendwelche Geschichten von Untreue und Verrat, und nach zwanzig Jahren kommt einer aus dem Gefängnis und meuchelt die feigen Verräter. Nun gut, mag alles schon vorgekommen sein. Aber Sie müssen bedenken, dass wir es hier mit ganz normalen Menschen zu tun haben, nicht mit Schwerkriminellen. Mord ist in den Kreisen eher ungewöhnlich.«
»Wurden da nicht Bomben gelegt und Leute in die Luft gesprengt?«, wandte Mike ein.
»Ach, die Kreise meinen Sie!«
»Ja.«
»Ich glaube, da steigen Sie ein bisschen hoch ein.«
»Kann sein«, sagte Wallner. »Aber wir haben bei dem männlichen Opfer eine Waffe gefunden, die, wie wir inzwischen wissen, in den achtziger Jahren aus einem Bundeswehrdepot gestohlen wurde. Das war eine Aktion, die der RAF zugerechnet wird.«
»Nun – wenn Sie in diesen erlauchten Kreisen ermitteln wollen, können wir Ihnen leider wenig weiterhelfen.«
»Ich dachte, Sie haben die Szene beobachtet.«
»Das hätten wir gern.«
Wallner war leicht irritiert. »Was meinen Sie damit?«
»Ich meine damit, dass wir nie bis zur Kommandoebene der RAF vorgedrungen sind.«
»Was haben Ihre V-Leute dann gemacht? Sie hatten doch welche im Einsatz.«
Hauser nahm ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber und malte drei konzentrische Kreise auf das Papier. In den innersten Kreis schrieb er ein K. »Dieser innerste Kreis war die Kommandoebene. Da weiß man bis heute relativ wenig drüber. Die Terroristen, die man festgenommen hat, schweigen beharrlich.«
»Und da ist nie ein V-Mann eingedrungen?«
»Ein gewisser Klaus Steinmetz hat es Anfang der neunziger Jahre geschafft, Kontakt mit Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams aufzunehmen, was dann etwas unrühmlich in Bad Kleinen endete. Aber immerhin. Ich glaube, so nah ist der Verfassungsschutz dem Kern der RAF weder
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